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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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nicht nur zum Speisen vermietet. Man konnte sich hier
auch mit käuflicher Weiblichkeit treffen.
    Der Kammerherr lag
auf dem Sofa, den Kopf über eines der Seitenteile gestreckt. In der Ecke
verbreitete eine riesige Pfütze aus ockerfarbenem Brei einen säuerlichen
Gestank. Eine Weinflasche, die offenbar auf dem Boden gestanden hatte, war
umgefallen. Roter Wein sickerte in Richtung von La Mettries Hinterlassenschaft. »Merde alors«, stöhnte der Franzose. »Ich glaube, da
ist mir … ein Malheur passiert.«
    »Monsieur«, rief
Quantz erschrocken.
    Kilian, der an
solche Szenarien gewöhnt war, gab Anweisungen. »Wir müssen ihn hinsetzen.« Er
packte La Mettrie und hob seinen Oberkörper hoch. Ein Rest des Erbrochenen hing
an dem Kinn des Franzosen und rann hinab über seine Halsbinde. Seine Perücke
war auf den Boden gefallen, und er präsentierte nun sein kahl geschorenes
Haupt.
    »Jetzt nehmt Ihr,
Herr Wirt, ihn unter die eine Schulter, ich unter die andere. Wo liegt sein
Zimmer? Gibt es einen direkten Weg über die Galerie, oder müssen wir die Treppe
hinunter?«
    »Ich fürchte,
hinunter und dann im Haus wieder hinauf«, sagte Schulze. »Es gibt keine direkte
Verbindung.«
    »Schade um das
schöne Essen«, sagte Kilian. Auf dem Tisch standen die Reste der Mahlzeit.
Unglaublich, wie die Herren getafelt hatten. Kilian sah leere Terrinen von
Gemüse, in denen noch die Reste von Kartoffeln und Bohnen vor Fett glänzten.
Daneben stand eine Bratenplatte, auf der nur ein Rest von brauner Soße übrig
war. Schmutzige Teller, Schüsseln und Gläser umkreisten das Szenario.
    Zum Glück war La
Mettrie nicht ganz bewusstlos, und so konnte er wenigstens mithelfen, die
Strecke zu seinem Zimmer zu überwinden, als sie ihn die Treppen hinunter, durch
den Hof und dann wieder die Treppe hinauf schleppten.
    »Es ist ein wenig
unordentlich«, sagte Schulze, als sie an La Mettries Zimmer angekommen waren.
»Ich mache Platz, damit wir überhaupt zum Bett gelangen.«
    Kilian packte den
Franzosen nun allein, der mit geschlossenen Augen versonnen vor sich hin
murmelte. »Attention«, sagte er immer wieder.
»Vorsicht mit meinen Schriften … Treten Sie sie nicht mit Füßen.«
    Kilian verstand erst
nicht, was er meinte, doch als sein Blick in das Innere der Stube fiel, wurde
es ihm klar. Der Raum war ein einziger Sauhaufen. So lebten also die
Kammerherren des Königs. Sie kotzten nicht nur in der Öffentlichkeit, weil sie
sich überfressen hatten, sie hausten auch wie die Tiere.
    »Kommen Sie«, rief
Quantz, der das Bett von einigen Papierstapeln befreite.
    La Mettrie schien zu
begreifen, dass er in der Nähe seiner Ruhestätte war, und konnte fast allein hinübergehen.
Kilian musste ihn nur ein wenig führen. Kaum hatte der Franzose das Bett
erreicht, murmelte er noch etwas, ließ sich auf die Kissen fallen und verfiel
sofort in regelmäßiges Schnarchen.
    Sie verließen das
Zimmer. Quantz zog die Tür zu. »Ich danke Ihnen, Herr …«, sagte er.
    »Kilian.«
    »Herr Kilian.«
Quantz griff in die Tasche, holte ein paar Münzen hervor und hielt sie ihm hin.
Es waren fünf Groschen. »Ich bitte Sie aber darum, zu niemandem über diese
Sache ein Wort zu verlieren. Der Monsieur ist Kammerherr des Königs.«
    Kilian nickte. »Wie
Sie wünschen.«
    Sie verließen beide
das Gasthaus, und Kilian sah Quantz eine Weile nach, der mit schnellen
Schritten den Kanal entlangging. Dann folgte er ihm.
    ***
    »Name?«
    »Rat Weyhe. Lass Er
mich durch.«
    »Was will Er?«
    »Sein Offizier weiß
es.«
    Der Grenadier zog
die Augenbrauen hoch. Weyhe unterdrückte einen Seufzer. Immer hatte man mit
denselben Problemen zu kämpfen. Oder vielmehr mit einem einzigen Problem. Mit
Soldaten, die streng nach Befehl handelten und nicht um die Breite eines Haares
von ihrer Linie abwichen. Kein Wunder, sie wurden jahrelang darauf gedrillt.
    »Was glaubt Er, was
ich will? Den Sträfling stehlen? Lass Er mich hinein, die Zeit ist kostbar.«
    Aus dem Gebäude
hinter dem Grenadier kam ein grässlicher Schrei. Eine beruhigende Männerstimme
war zu hören, dann schrie der Mann noch einmal.
    »Wie war Sein Name?«
    »Rat Weyhe. Das habe
ich schon gesagt. Nun mach Er schon die Tür auf.«
    Die Tür öffnete
sich, und zwei Offiziere kamen heraus. Einer von ihnen trug eine Ledertasche.
Es war der Militärchirurg.
    »Herr Leutnant«,
rief Weyhe.
    Der Arzt
verabschiedete sich von dem Offizier, der sich dann Weyhe zuwandte.
    »Ihr Wachmann hier
lässt mich nicht hinein«, sagte

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