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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Dazwischen fiedelten Geigen, tröteten Hörner und näselten Oboen.
    Im Vorbereitungsraum
der Musiker trafen ihn erstaunte Blicke. Manche mochten sich über seine
Anwesenheit wundern, denn der Kammermusikus hatte hier nichts zu tun. Seine
Aufgaben lagen im direkten Umkreis des Königs und dessen Privatmusik, nicht in
der Oper.
    Doch Quantz hatte
noch vor wenigen Jahren mit dem Gedanken gespielt, sich an Opern zu versuchen.
An einigen Werken hatte er mitgearbeitet und kleine Arien beigesteuert. Damals
hatte er in dem bevorzugten Bühnenkomponisten Seiner Majestät, Carl Heinrich
Graun, dem Bruder des Konzertmeisters Johann Gottlieb, einen Freund gewonnen.
Quantz war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass ihm die Vokalmusik nicht
lag, und so waren seine Bemühungen auf dem Gebiet der Oper eingeschlafen.
    Doch jedes Mal, wenn
er eine Vorstellung besuchte, packte ihn eine nicht allzu kleine Portion Neid.
Die Oper war die musikalische Gattung, mit der man die Massen begeistern
konnte. Ganz Berlin sprach von den Werken, sobald die Premiere vorüber war. Der
Name des Komponisten stand auf Plakaten, er wurde sogar in Zeitungen erwähnt.
Quantz war zwar ebenfalls kein unbekannter Mann, doch er wirkte im Verborgenen.
    »Oh, der Herr
Maestro«, sagte eine weiche Frauenstimme neben ihm.
    Er wandte sich um
und blickte in das hübsche, puppenhafte Gesicht von Barbara Campanini – der
italienischen Tänzerin, die Friedrich eigens hatte entführen lassen, um sie an
die Berliner Oper zu bringen. Man sagte, sie, die man hier nur »Barbarina«
nannte, sei die einzige Frau, an der dem König gelegen sei. Böse Zungen
meinten, es liege daran, dass sie sehr männliche Beine habe. Was eine Lüge war,
wie sich Quantz gerade überzeugen konnte. Die Barbarina war bereits im Kostüm
und trug ein Röckchen, das nur bis zu den Knien reichte.
    »Was führt Sie in
die Oper, Maestro?«, fragte sie.
    Quantz machte einen
höflichen Diener. »Geschäfte führen mich hin und wieder nach Berlin. Und
natürlich lasse ich es mir nicht entgehen, Ihre Kunst zu genießen«, fügte er
hinzu, denn das war es, was sie offensichtlich hatte hören wollen.
    »Molto
gentile«, sagte
die Italienerin und sah Quantz versonnen an. »Wenn Sie mich entschuldigen …«
    Er wollte sich den
Musikern zuwenden, da öffnete sich die Tür, und ein Bediensteter des Theaters
gab das Signal zum Beginn. »Bitte auf die Bühne«, rief er.
    Alle strebten dem
Ausgang zu, und Quantz musste Platz machen.
    Bach drängte sich an
ihm vorbei. »Herr Kammermusiker? Sie hier? Wollen Sie einmal echte Musik
kennenlernen?«
    Quantz legte die
Hand auf Bachs Schulter. »Ich möchte Sie sprechen«, sagte er.
    »Das ist, wie Sie
sehen, gerade nicht möglich.«
    »Später vielleicht?«
    »Später haben wir
noch zu tun. Wir sind privat geladen.«
    Der Cembalist wollte
sich losmachen, die anderen Musiker drängten weiter, und ein Stau entstand.
Jeder hatte ein Instrument in der Hand – von der Flöte bis zum sperrigen
Violoncello. Bach und Quantz standen im Weg.
    »Können Sie sich
nicht woanders unterhalten?«, kam es vom Cellisten Mara.
    »Vielleicht im
Stadtschloss?«, fragte Quantz.
    »Lassen Sie mich
gehen.« Bach machte sich los und folgte den anderen.
    Quantz lief zurück
durch die Gänge und gelangte ins Foyer, das voller Menschen war. Vor der Oper
drängten sich die Kutschen.
    Ihn erfasste Unruhe.
Stunden würde er nun brauchen, bis er mit Bach sprechen konnte. Dabei hatte ihm
das Gespräch mit La Mettrie so viel Elan gegeben. Er versuchte, sich zu
entspannen und die Aufführung zu genießen.
    Gewohnheitsgemäß
plauderten die Zuschauer noch weiter, auch wenn die Ouvertüre schon begonnen
hatte. Der Vorhang öffnete sich, und erst jetzt realisierte Quantz, welches
Stück gespielt wurde. Die Oper hieß »Cinna«. Graun hatte sie komponiert.
    Den Stoff hatte
Seine Majestät höchstpersönlich vorgeschlagen. Er stammte aus der von dem
Monarchen so sehr geschätzten französischen Literatur. Am Neujahrstag hatte das
Werk seine Uraufführung erlebt. Quantz vergegenwärtigte sich die Handlung – ein
Ränkespiel aus Machtgier rund um den römischen Kaiser Augustus, dem es am Ende
oblag, mit einem Akt der Gnade das ganze Geflecht aufzulösen. Natürlich ehrte
man mit der Zurschaustellung eines so weisen Herrschers niemand anders als
Friedrich selbst.
    Seiner Majestät war
es tatsächlich gelungen, in Preußen, fern von Italien, eine hervorragende Oper
zu begründen. Das lag sicher daran, dass

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