Schatten über Sanssouci
Quantz das private Engagement angesprochen hatte?
Es kam häufig vor,
dass die Musiker nach ihren Diensten in der Oper oder nach einem Hofkonzert zu
einem Empfang geladen wurden und sich auf diese Weise etwas dazuverdienten.
Solche Engagements gehörten zum Leben eines Musikers wie das tägliche Üben.
Quantz selbst hatte sich früher mit seiner Flöte in den Häusern angesehener
Bürger und in den verschiedenen Adelshäusern in der Stadt und ihrer Umgebung
hören lassen, bis er zum persönlichen Musiker des Königs wurde.
Immer noch beobachtete
er das Treiben hinter dem Opernhaus, und mehr und mehr nagte der Zweifel an
ihm. War er vielleicht umsonst nach Berlin gefahren?
Da kamen drei
Kutschen um die Ecke, hielten vor den Musikern, und ohne zu zögern stiegen sie
ein.
»Folgen«, zischte
Quantz seinem Fahrer zu.
Der Mann auf dem
Bock schien aus einer Trance zu erwachen.
»Los! Sie fahren zum
Neuen Tor. Folge Er mit Abstand. Unauffällig.«
Der Fuhrmann
wartete, bis die anderen Gefährte die Brücke erreicht hatten, und trieb erst
dann die Pferde an.
Schnurgerade fuhr
die Kutsche über Friedrichswerder hinweg und passierte die zweite Brücke zur
Insel hinüber. Rechts erhob sich der Block des Schlosses vor dem nächtlichen
Himmel. Einige beleuchtete Fenster blickten wie funkelnde Augen in die Nacht.
Links lagen der Dom, die Hofbibliothek und das runde Gebäude der Börse, davor
die weite Fläche des Paradeplatzes.
Diesmal wurde die
Kutsche der Musiker nicht von Soldaten begleitet.
In diesem Moment
blieb die Kutsche stehen.
»Was ist los?«,
fragte Quantz mit gedämpfter Stimme.
»Da hinten sind
Wachen«, sagte der Kutscher. »Die anderen sind durchgekommen, aber uns wird das
wohl nicht gelingen.«
»Fahr Er mich doch
noch bis zu der Sperre«, rief Quantz. Wenn man Eindruck machen wollte, durfte
man nicht zu Fuß auftauchen.
Sie erreichten die
Soldaten. Einige hielten Fackeln. Einer riss den Schlag auf und sah Quantz an.
»Name?«
»Quantz, königlicher
Kammermusikus.«
»Er steht nicht auf
der Liste.«
»Weiß Er das so
genau?«
»Mit Sicherheit.«
»Das mag schon sein.
Lass Er mich trotzdem passieren. Ich bin zur Musik geladen.«
»Warum ist Er dann
nicht auf der Liste?«, beharrte der Soldat.
»Weil ich heute früh
noch in Potsdam bei Seiner Majestät war.«
»Hat Er eine
Einladung?«
»Nein.«
»Dann kann Er nicht
durch.«
Quantz atmete tief ein,
als wolle er ein Flötenkonzert spielen. »Das wird ein Nachspiel haben. Ich muss
passieren.«
»Wir haben unsere
Ordre.«
Der Soldat wandte
sich ab, er war offenbar nicht mehr bereit, sich länger mit Quantz abzugeben.
In diesem Moment erreichte noch eine Kutsche den Platz – ein großes, luxuriöses
Gefährt, wie es nur hochgestellte Persönlichkeiten benutzten. Im Licht der Öllampen
war nicht zu erkennen, wer darin saß. Doch überdeutlich erschien der preußische
Adler auf der Seitentür. In der Kutsche saß also ein Mitglied des Königshauses.
Die Wachen öffneten
die Phalanx und nahmen Haltung an. Der Kutscher, in der hellen Livree der
Hoflakaien gekleidet, wollte gerade die Pferde antreiben, da stieg Quantz rasch
aus und lief hinüber zu der königlichen Kutsche.
Die Soldaten
reagierten sofort und stellten sich ihm in den Weg. Einmal mehr sah sich Quantz
spitzen Bajonetten gegenüber.
»Was macht Er?«,
brüllte einer der Grenadiere.
»Kutsche passieren
lassen«, rief ein anderer.
Quantz wich langsam
zurück. Er hatte nicht erkennen können, wer in der Kutsche saß.
»Verlasse Er den
Platz«, schrie der Soldat, der ihn eben kontrolliert hatte.
Quantz nickte und
hielt die Hände vom Körper entfernt, um den Grenadieren zu zeigen, dass er
unbewaffnet war und keine Gefahr von ihm ausging.
Als er fast wieder
bei dem gemieteten Coupé stand, wartete die königliche Kutsche immer noch.
Quantz fragte sich, warum sie nicht weiterfuhr. Doch da bewegte sich etwas in
dem Fenster der Tür. Eine blasse Hand löste sich aus dem Dunkel und machte eine
winkende Bewegung. Als sei dies ein Zeichen gewesen, zogen die Pferde an, und
das Gefährt setzte sich in Richtung des Schlosseingangs in Bewegung.
Der Offizier kam auf
Quantz zu.
»Ich bin schon
dabei, mich zu entfernen«, sagte Quantz schnell. »Lassen Sie mich nur die
Kutsche besteigen.«
Der Soldat
schüttelte den Kopf. »Kommen Sie mit«, sagte er überraschend freundlich.
Quantz durchfuhr ein
heißer Schrecken. »Wollen Sie mich verhaften?«
»Nein. Ich soll Sie
in das Schloss lassen.
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