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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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der König selbst größten Einfluss auf
die Stoffe nahm und als Kenner der Musik auch beurteilen konnte, was in diesem
Musiktheater gespielt wurde und was nicht. Es hieß, in den Schubladen seines
Arbeitszimmers schlummerten Ideen für recht kühne Opernprojekte. So zum
Beispiel für das Werk, das im fernen Amerika spielen sollte. Mit dem legendären
Fürsten Montezuma als Hauptfigur. Quantz hatte in einigen Büchern und
Zeitungsartikeln über den fremden Kontinent gelesen. Dort sollte es fremdartige
Tiere, riesige Wälder voller exotischer Pflanzen, gewaltige Flüsse und viel
höhere Berge als in Europa geben. Eine solche Kulisse war natürlich eine
dankbare Vorlage für die Bühnentechniker. Darüber hinaus befanden sich die
Eingeborenen Amerikas noch im Zustand paradiesischer Unschuld. Sie gingen wie
Adam und Eva vor dem Sündenfall nackt umher. Quantz hatte dergleichen auf
Holzschnitten in Büchern gesehen. Wenn Seine Majestät ein Ballett auf die Bühne
brachte, das sich an diesen Vorbildern orientierte, dann würde das Werk ein
Renner werden. Jeder würde die unbekleideten Wilden auf der Bühne sehen wollen.
Grauns Musik war dabei gar nicht so wichtig. Und die tiefere Bedeutung der
fürstlichen Tugenden auch nicht.
    Während die Figuren
in der vergleichsweise langweiligen Oper »Cinna« auf der Bühne ihrem Schicksal
entgegengingen, tauchten bunte, erregende Bilder in Quantz’ Phantasie auf.
    Als die Oper zu Ende
war und der erste Applaus aufbrandete, stand Quantz auf und wandte sich dem
Ausgang zu. Längst war die Nacht hereingebrochen. Auf dem Platz vor dem
Opernhaus bestieg Quantz ein Mietcoupé und ließ sich zur Rückseite des Gebäudes
fahren.
    »Platziere Er sein
Gefährt so, dass ich am Kanal entlang zum Neuen Tor sehen kann«, wies er den
Kutscher an. »Und keine Sorge. Wir werden unsere Fahrt noch machen.«
    Das Neue Tor bildete
eine Brücke zwischen dem Opernplatz und Friedrichswerder – dem Teil Berlins,
der sich an die Spree schmiegte, auf deren länglicher Insel das Stadtschloss
lag. Die Brücke überspannte den schnurgeraden Kanal und war der Endpunkt der langen
Straße »Unter den Linden«, die am Opernhaus vorbei zu der Brücke führte.
    Ab und zu kamen
Passanten vorbei und unterhielten sich lautstark. Eine Patrouille hielt an. Der
vorbeireitende Offizier blickte misstrauisch auf das wartende Coupé. Je länger
er auf den Seiteneingang der Oper – eine kleine Tür, über der eine Lampe brannte
– blickte, desto mehr wuchs seine Ungeduld. Endlich kam eine große Kutsche um
die Ecke gerumpelt und hielt. Kurz darauf stieg jemand von der anderen Seite
zu. Quantz erkannte Barbarina, die sich abholen ließ.
    Der König hatte die
Italienerin zwar unter Zwang nach Berlin geholt, aber er gestand ihr ein
ungeheures Salär zu, das es ihr erlaubte, ein hochherrschaftliches Haus zu
führen. Ihre Residenz in der Behrenstraße war ein Palais, das einer Prinzessin
würdig gewesen wäre.
    Quantz erkannte eine
zweite Figur, die sich mit in die Kutsche setzte. Wahrscheinlich war es einer
der vielen Liebhaber, die die Künstlerin angeblich umschwirrten. Seine Majestät
hatte ihr klipp und klar verboten zu heiraten, solange sie in preußischen Diensten
stand, und er streute das Gerücht, selbst an ihr interessiert zu sein. Jeder,
der den König kannte, wusste, dass es sich dabei um einen Vorwand handelte.
Friedrich hatte eher ein Interesse an Männern – und weil viele strenge
Zeitgenossen, vor allem in Kreisen der Kirche, diese Neigung für höchst
sündhaft hielten, versuchte Friedrich, sich das Etikett eines Frauenverehrers
zu geben. Mehr schlecht als recht, aber die Fassade war gewahrt.
    Die Kutsche mit der
Tänzerin verschwand in der Dunkelheit.
    Quantz stellte sich
schon auf eine längere Zeit des Wartens ein, da öffnete sich die Tür, und die
Musiker kamen heraus. Er erkannte Bach, Graun und Benda mit ihren Geigenkästen
und Mara mit dem großen Cello. Und andere, die allerdings nicht zur Kammermusik
des Königs gehörten.
    Die Musiker hätten
eigentlich ihre Quartiere aufsuchen können, doch Bach, Graun, Benda und Mara
blieben zurück. Sie unterhielten sich leise. Immer wieder fuhren Kutschen vor.
Die Musiker schienen auf jemanden zu warten.
    Quantz hätte direkt
zum Berliner Stadtschloss fahren können. Aber er war sich nicht sicher. Wer
sagte, dass die Zusammenkunft wieder dort stattfand? Ob sie heute Nacht wohl
überhaupt stattfand? Vielleicht hatte Bach am Ende doch die Wahrheit gesagt,
als

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