Schatten über Sanssouci
Oben verlor
sich das Licht in der Schwärze.
Etwas Dunkles
huschte vor ihm davon. Quantz bewegte die Lampe und sah eine Maus über die
nackte Erde laufen.
Die Scheune hatte
keinen zweiten Ausgang. Und hier war jemand. Die Maus konnte die Geräusche, die
er gehört hatte, nicht verursacht haben. Quantz betrachtete das Heu, das sich
in unregelmäßigen Haufen weiter hinten verlor. Dann begann er mit dem Anstieg
die Leiter hinauf.
»Wer ist hier?«,
rief er.
Seine eigene Stimme
beruhigte ihn, während er in die Finsternis eintauchte. Auf halber Höhe hatte
er das Gefühl, im Nichts zu schweben.
Endlich erreichte er
den oberen Boden. Er stellte die Lampe ab, um sich ganz hinaufzuwuchten.
Sobald er aufrecht
stand, flog eine brennende Fackel an ihm vorbei. Kaum war sie auf das Heu
gefallen, wuchs knisternd eine große Flamme in die Höhe. Quantz wäre vor
Schreck beinahe hintenüber gefallen. Instinktiv begann er, das Feuer, das sich
schon in alle Richtungen fraß, auszutreten. Doch es wuchs zu schnell. Und in
seinem brausend auflodernden Schein sah er Andreas. Sein Körper war bis zur
Brust mit einem weißen Tuch bedeckt. Seine Augen waren geschlossen. Er schien
zu schlafen.
Immer schneller
griffen die Flammen um sich. Der Rauch biss sich in Quantz’ Lungen fest.
Normalerweise wäre er sofort über die Leiter nach draußen geflohen, aber da war
Andreas. Er musste ihn retten.
Er hob schnell die
Fackel auf und schleuderte sie nach unten. Es gelang ihm, doch sofort wurde
Quantz klar, dass sie nun unten weiteres Heu anstecken würde. Er trat durch die
heiße, knisternde Flammenwand und kämpfte sich zu dem Lakaien vor. Er packte den
Jungen, das Tuch glitt von ihm und offenbarte den Jungen in seiner hellen
Livree. Quantz rüttelte ihn, doch er rührte sich nicht.
Wie sollte er ihn
hinunterschaffen? Er konnte ihn nicht auf den Rücken nehmen und hinabklettern.
Oder war Andreas
etwa tot? Dann war nichts zu machen. Dann musste Quantz nur sich selbst retten
…
Während er noch
überlegte, fraßen sich die Feuernester voran. Er hustete, zog weiter an dem
schlaffen Körper des Lakaien und erreichte schließlich die Leiter, die schon
ganz von Rauch eingehüllt war.
Unten brannte alles
lichterloh. Die Fackel hatte neue Brandherde gelegt. Das Feuer brandete
fauchend auf. Hinter der Wand aus Geknister und Geloder rief jemand Quantz’
Namen. Es musste Brede sein, der draußen vor der brennenden Scheune stand.
Wo war Andreas?
Quantz konnte ihn nicht mehr sehen, so dicht war der Rauch. Ein gewaltiger
Feueratem tobte ihm entgegen, und in größter Panik umfasste Quantz die Leiter.
Zitternd vor Angst kletterte er Sprosse für Sprosse hinunter, kam nicht schnell
genug voran, sprang und knallte hart auf den Boden – umgeben von hellen
Flammen. Da war das Tor, durch das er hereingekommen war. Er rappelte sich auf
und rannte mitten durch die heiße Wand hindurch. Er stemmte sich gegen das
Holz. Das Tor war verschlossen!
Mit all seiner Kraft
warf er sich dagegen. Wie schwach er war! Der Rauch schien ihn innerlich
aufzufressen. Quantz rang nach Luft – und endlich bewegte sich die Holzfläche
vor ihm, und er taumelte Brede entgegen.
»Andreas«, keuchte
er und deutete hinter sich. »Oben.« Brede setzte sich in Bewegung. Tief atmend
wie ein Ertrinkender, der ein letztes Mal an die Oberfläche gelangt, stolperte
Quantz auf den Vorplatz. Die Kühle der Luft tat ihm gut. Er kniete auf der nackten
Erde und hustete, dann kam der Kutscher zurück. Auch er keuchte.
»Hat keinen Zweck.
Wir müssen Hilfe holen. Löschen. Die Bauern … Achtung, aufpassen!«
Er riss Quantz mit
sich weg. Es krachte und donnerte, und in einem riesigen Funkenregen stürzte im
Inneren der Scheune der Heuboden herab.
»Andreas«, schrie
Quantz und wollte Brede packen. Doch er griff ins Leere. Der Kutscher war schon
losgelaufen – hin zum Dorf, wohl um Hilfe zu holen.
14
Der
Ehrenhof war mit so vielen Menschen bevölkert, wie Quantz es seit der
feierlichen Einweihung der Residenz nicht erlebt hatte. Das blau gestrichene
Coupé von Fredersdorf quälte sich eben die Rampe herauf, und die unschlüssig in
Grüppchen herumstehenden Bauern und Soldaten machten Platz.
Quantz stand neben
einem der Säulenpaare am äußeren Ring des Hofes. Fröstelnd rieb er die Hände
aneinander. Er war noch immer erfüllt von den Bildern der Ereignisse, die wie
ein dröhnendes Echo in ihm nachklangen. Nach endlosen Minuten, in denen er
hilflos auf die lodernde, schmorende
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