Schatten über Sanssouci
Teufel geschickt,
doch er ließ nicht locker. Er hatte zwei Taler dabei und sagte, sie kämen von
Euch. Ich solle sofort kommen. Es sei dringend. Und ich dachte, ich kann den
Unfall wiedergutmachen, der Euch auf dem Weg nach Berlin widerfahren ist.
Natürlich war nur Franz daran schuld. Ich habe ihn auch bestraft, aber trotzdem
habt Ihr was gut bei mir …«
»Wer war der Junge,
der Ihn aus dem Schlaf geholt hat?«
»Das müsstet Ihr
doch wissen. Ich kenne ihn nicht. Stimmt etwas nicht?«
»Doch, doch, Brede.
Er hat alles richtig gemacht.«
»Und ich darf die
zwei Taler behalten?«
»Ja, ja … behaltet
Sie nur. Was hat der Junge gesagt, wohin Ihr mich fahren sollt? Bis zum Tor? Da
hätte ich ja auch zu Fuß gehen können.«
Brede sah Quantz an.
»Herr Kammermusikus, nicht bloß zum Tor. Das müsst Ihr doch auch wissen. Hinauf
nach Bornstedt soll es gehen.«
»Nach Bornstedt? In
der Nacht?« Das wurde immer seltsamer. Das Dorf Bornstedt befand sich außerhalb
der Stadtmauer. Noch hinter Sanssouci. Ein seltsames Ziel mitten in der Nacht.
»Das habe ich den
Jungen auch gefragt, aber wen gibt es, der es besser weiß als Ihr? Wollt Ihr
stattdessen nach Hause?«
»Nein. Mach Er sich
keine Gedanken. Hat der Junge genauer beschrieben, wo es hingehen soll?«
»Zum Friedhof. Und
dann noch ein Stück.«
»Also gut. Fahr Er
los.«
Brede hob die Zügel,
offensichtlich froh, dass das seltsame Gespräch vorbei war. Wahrscheinlich
zweifelte er an Quantz’ Verstand.
Quantz blieb auf dem
Bock sitzen. Kaum standen sie vor dem Tor, wurden sie wieder von Soldaten
umringt. Auch hier trat ein Offizier aus dem Wachhaus. Quantz’ war dieses
ewigen Spiels müde, aber er musste es über sich ergehen lassen.
»Er will mitten in
der Nacht die Stadt verlassen? Wo will er hin?«
Quantz stieg von der
Kutsche. »Ich bin der Kammermusikus des Königs. Ich habe oft nach Zapfenstreich
dieses Tor durchschritten. Mein Dienst erlaubt solche Einschränkungen nicht.
Lassen Sie mich durch.«
Der Soldat beäugte
Quantz von oben bis unten. »Ich kenne Ihn nicht. Da könnte jeder kommen.«
»Ich bin nicht
jeder.«
»Nicht vor
Morgengrauen. Ansonsten nur, wenn Er mir eine Ordre Seiner Majestät persönlich
bringt. Bis dahin haben wir Befehl, niemanden durchzulassen. Oder nur
diejenigen, die ein Recht dazu haben.«
»Das Recht habe
ich.«
»Und die ich
persönlich kenne«, fügte der Offizier hinzu. »Wer sagt mir, dass Er in dieser
Kutsche keine Grenadiere versteckt nach draußen bringt?«
»Durchsuchen Sie die
Kutsche, wenn Sie wollen. Aber lassen Sie mich durch.«
»Ich kenne ihn«,
rief plötzlich einer der Wachsoldaten, die aus dem Wachhaus getreten waren. »Es
ist der Flötenspieler seiner Majestät. Wir haben ihn schon oft vom Schloss
zurückgebracht.«
Der Offizier verzog
das Gesicht. Er war sichtlich verärgert darüber, dass ihm einer seiner eigenen
Leute in den Rücken fiel.
»Es ist Herr
Quantz«, fuhr der Grenadier fort. »Königlicher Leibmusikus.«
»Scher Er sich zum
Teufel«, brüllte der Offizier Quantz so heftig an, dass die Spucke flog. »Von
mir aus auch durch das Tor. Aber dafür unterschreib Er mir eine Erklärung. Ich
lasse den Schlüssel von der Wache holen.«
Die Formalitäten
zogen sich hin, mindestens eine halbe Stunde verstrich. Als Quantz seine
Unterschrift im Wachbuch geleistet hatte, ging er hinaus auf den Platz. Falls
der Treffpunkt doch hier vor dem Tor gewesen sein sollte, hatte der Unbekannte
genug Zeit gehabt, um sich bemerkbar zu machen. Oder hielten ihn die Soldaten
ab, sich zu zeigen?
Quantz blickte in
die Runde und sah nichts als dunkle Häuser, hinter denen die Bürger schliefen. Andreas, wo bist du nur?
13
Draußen
vor dem Seitenfenster herrschte Finsternis. Nur das Ruckeln der Kutsche machte
Quantz überhaupt bewusst, dass sie fuhren.
Brede hatte versichert,
den Weg nach Bornstedt im Schlaf zu kennen. Die Straße führte an Sanssouci
vorbei, und schon dieser Gedanke erfüllte Quantz mit Herzklopfen. Hoffentlich
fielen sie nicht den Soldaten auf, die auf dem Ehrenhof Wache hielten. Er hatte
keine Lust, ein weiteres Mal seinen mysteriösen Ausflug zu erklären.
Dass Bredes
seltsamer Auftrag, ihn abzuholen, mit der Begegnung auf dem Faulen See
zusammenhing, stand für Quantz außer Zweifel. Und dass Andreas in Bornstedt
sein sollte, passte zu dem, was ihn die ganze Zeit beschäftigte: Der Lakai
musste untertauchen, weil er bedroht wurde und um sein Leben fürchtete. Quantz
war für
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