Schatten über Ulldart
Säbelgriff.
Sie hatten den Eindruck, dass die Sterne Arkas und Tulm, die Augen Tzulans, mit einem Mal hell aufleuchteten und in einem rubinroten Feuer loderten.
Nach diesem Furcht erregenden Ton war es totenstill. Nichts rührte sich, selbst der Wind schien fort zu sein. Aus dem Lager hörte man aufgeregtes Rufen.
»Herr«, flüsterte der Leibwächter, »sagt so etwas nie wieder. Das ist das erste Mal, dass ich nach langer Zeit wieder Angst verspüre, und das ist gewiss kein gutes Zeichen.«
»Einverstanden«, antwortete Lodrik schnell, »und jetzt nichts wie zurück. Mein Tee ist kalt.«
Sie trafen am dritten Tag der zweiten Woche auf das Heer der Aufständischen, das sich in einem Tal niedergelassen hatte und die Vorräte ergänzte, was zumindest die Späher Waljakovs berichteten.
Offenbar wussten die Bauern nichts vom Kommen des Statthalters, der mit seinem Zug hinter dem Hügel geblieben war und sich die Lage von oben betrachtete.
»Es sind einfache Bauern, Herr.« Der Leibwächter stellte sich im Sattel Treskors auf und ließ den Blick schweifen. »Nicht geschult im Umgang mit Schwertern und Speeren. Ich würde sie mit den hundert Mann in wenigen Lidschlägen zur Besinnung bringen, wenn Ihr es wollt.«
»Sie sind verzweifelt, das ist viel gefährlicher«, gab Stoiko zu bedenken, dessen Pferd links von Waljakovs stand. »Es gibt nichts Schlimmeres als einen Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat, Waljakov.«
Lodrik schaute sich um. »So, wie sie aussehen, haben sie seit Tagen nicht mehr richtig gegessen oder geschlafen.«
»Fast wie ich«, murmelte Stoiko und kraulte dem Pferd die Ohren.
»Leichte Beute, Herr, wirklich«, beteuerte der Krieger noch einmal, aber der Statthalter winkte ab.
»Ich habe versprochen, mit ihnen zu verhandeln, also werde ich das auch tun. Keine unnötigen Verluste auf beiden Seiten.« Er setzte sein Pferd mit einem leichten Stoß in die Flanken in Bewegung. »Ich werde mein Glück versuchen.«
»Ihr wartet hier«, befahl Waljakov den Soldaten und trabte Lodrik hinterher, Stoiko folgte.
Die Bauern wurden recht schnell auf die drei Reiter aufmerksam, erhoben sich und reckten drohend die Waffen. In Windeseile waren die Männer eingekreist.
»Ich bin Gouverneur Vasja«, rief Lodrik, »wo ist euer Anführer?«
Die Menge teilte sich und machte einem besser gekleideten Bauern Platz, der ein Schwert an der Seite trug. »Ich bin ihr Befehlshaber.« Waljakov verzog verächtlich den Mund, als er den selbstgewählten Titel hörte. »Mein Name ist Vulju. Folgt mir, wir werden in dieser Scheune dort drüben beraten.«
In dem Holzgebäude warteten schon drei Dutzend Aufständische, die Bänke und Tische aufstellten, notdürftig gezimmert aus Brettern, Fässern und Stangen.
»Nicht wie in deinen Audienzsälen, Herr.« Vulju griente und spuckte aus, während die drei Männer aus den Sätteln stiegen.
»Für dich heißt es ›Exzellenz‹ oder ›Gouverneur‹, Bursche«, knurrte der Leibwächter, die eisgrauen Augen blitzten drohend.
»Lass es gut sein, Waljakov. Ich will verhandeln, keine Höflichkeiten austauschen«, beruhigte Lodrik und setzte sich auf die rasch herbei getragene Bank. »Für Gefasel ist zu Hause Zeit, wenn es um unwichtige Dinge geht. Aber wie Vulju schon sagte, wir sind hier nicht im Audienzzimmer, und die Angelegenheit ist ebenso dringend wie wichtig.«
Der Anführer der Aufständischen neigte anerkennend den Kopf. »Es scheint dir wirklich ernst zu sein, und wenn es stimmt, was ich über dich gehört habe, wirst du ein Einsehen haben, Gouverneur.« Die plötzlich geänderte Anrede erschien wie ein kleines Kompliment.
»Ich bin ganz Ohr für deine Vorschläge«, erwiderte der Statthalter, »aber zunächst nenne mir den Grund für diese Erhebung.«
»Du fragst allen Ernstes nach dem Grund?« Seine Männer lachten rau. »Wenn du die Steuern nicht angehoben hättest, wären wir alle zufrieden gewesen, aber fünfzig Teile der Ernte an den Gouverneur, erschien uns allen zu hoch. Unsere Familien können mit dem traurigen Rest nicht überleben, ganz zu Schweigen davon, dass nicht genügend für die Aussaat da ist.«
Lodrik glaubte sich verhört zu haben. »Ich soll die Steuern angehoben haben? Fünfzig Teile der Ernte? An mich?«
»Spiel nicht den Unschuldigen!« Vulju schlug erbost mit der Faust auf den Tisch. »Der Steuereintreiber erschien mit seinen Männern und verlangte die neuen Abgaben im ganzen Gebiet. Und er sagte, er könne nichts dafür.
Weitere Kostenlose Bücher