Schatten über Ulldart
Triumphs und den Tzulan-Anhängern zur Warnung an den Himmel.« Er legte den Kopf in den Nacken. »Ich persönlich hätte sie verbrannt. Zu viele Fanatiker schöpfen, entgegen der Absicht der Göttin, daraus ihre Hoffnung, der Gebrannte Gott könnte eines Tages zurückkehren.«
Beide standen still und lauschten den Geräuschen der Nacht. Leise raschelte es im Unterholz, ein Käuzchen schrie.
»Was glaubst du? Werden die Aufständischen mit mir verhandeln und zu einer Einigung kommen?«, fragte Lodrik, ohne den Blick von den Sternen abzuwenden.
»Ihr habt viel Gutes für die Menschen in Granburg getan, Herr. Ich denke, dass sie Euch anhören werden«, meinte Waljakov. »Herr, ich muss mich bei Euch entschuldigen.«
»Für was?« Der Gouverneur klang sichtlich erstaunt und drehte sich zu dem Leibwächter.
»Damals, als wir in dem Gasthof waren, hat mich der Wirt gefragt, ob Ihr in der Lage wärt, etwas zu ändern«, erklärte der Mann.
»Und du hast Nein gesagt, vermute ich«, riet Lodrik.
»So ist es, Herr«, gestand der Leibwächter. »Ich musste aber inzwischen erkennen, dass Ihr mehr Durchhaltevermögen und Mut in Euch tragt, als ich angenommen hatte.«
Der Gouverneur legte die Hand auf die Schulter des Kämpfers. »Ich denke, ich habe jeden überrascht, der mich von früher kannte, einschließlich mich. Ich habe Oberst Mansk anfangs verflucht, aber ich glaube, dass ich ihm zu großem Dank verpflichtet bin, weil er meinem Vater diesen Rat gegeben hat. Also, mach dir deshalb keine Vorwürfe, schließlich bist du für meine gute Entwicklung mitverantwortlich.« Er lachte. »Und ich hoffe, dass sie noch nicht abgeschlossen ist.«
Waljakov wirkte erleichtert, dennoch glaubte Lodrik immer noch so etwas wie ein schlechtes Gewissen in den Augen des Leibwächters zu erkennen. »Herr, ich habe Euch noch nicht für den Kampf gegen den Assassinen gratuliert. Ihr habt länger durchgehalten, als mancher erfahrene Soldat es getan hätte.«
»Ich habe nicht gegen ihn gewonnen, Waljakov«, erinnerte ihn der junge Mann. »Du hast ihn besiegt, nicht ich.« Er schaute wieder zu den funkelnden Sternen am Himmel. »Ich habe Stoiko gefragt, ob er etwas von dem verstanden hat, was der Assassine gerufen hat. Die Sprache war ihm allerdings unbekannt. Du hingegen hast ihm geantwortet. Weißt du, was Fatja damals zu mir gesagt hat? Ein Mann in meiner unmittelbaren Umgebung sei nicht das, was er zu sein vorgibt.«
»Das hat sie gesagt? Sie scheint doch kein Scharlatan gewesen zu sein.« Der Leibwächter setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und zog Lodrik mit. »Was ich Euch nun zeige, ist ein großes Geheimnis. Aber Ihr müsst es erfahren.«
»Wird das der Abend der Geständnisse?«, versuchte der Gouverneur zu scherzen, und sah mit einer gewissen Verwunderung zu, wie Waljakov mehrere Bolzen an seiner mechanischen Hand löste. »Oh, mir ist nicht nach Kriegsverletzungen. Ich möchte auch nie welche sehen.«
Es klickte ein paar Mal, dann entfernte der Krieger die Prothese mit einem schnellen Ruck. Doch anstatt des erwarteten Armstumpfes blickte Lodrik auf eine verkrüppelte Hand, deren Sehnen und Muskeln kräftiger als die einer normalen waren. Alle Finger wiesen die gleiche Länge auf, der Daumen fehlte jedoch vollständig.
»Was hat das zu bedeuten?«, keuchte der junge Mann fassungslos. »Ich dachte, sie wäre …«
Waljakovs Gesicht war sehr ernst. »Ich bin das, was die Ulldarter einen K’Tar Tur nennen. Ein Nachfahre Sinureds.«
»Aber, wie …«
»Lasst es mich Euch erklären, Herr«, bat der Leibwächter. Lodrik nickte mit großen Augen.
»Ich wurde vor dreiundvierzig Jahren als Sohn von Bruder und Schwester geboren. Beide gehörten dem Dunklen Volk an, den K’Tar Tur. Ich wurde erzogen nach allen Regeln des Dunklen Volkes, lernte die Sprache und ihre Art zu kämpfen. Doch ich war es bald leid, mich immer nur verstecken zu müssen, denn ich hatte den Menschen nichts Schlimmes getan, auch wenn mein Vorfahr Unheil über Ulldart gebracht hatte. Ich bemerkte recht bald, dass die übrigen Ulldarter nicht so dachten wie ich. Oft musste ich mein Leben durch einen waghalsigen Sprung aus dem Fenster oder ins Wasser retten, aber ich blieb hartnäckig. Als Erstes rasierte ich mir die Haare vom Kopf ab, um nicht ständig durch die Blutsträhne erkannt zu werden, danach ließ ich die Prothese anfertigen. So trat ich bei Oberst Mansk in den Dienst der tarpolischen Armee und sicherte mir einen Platz bei den
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