Schatten über Ulldart
Überraschung. Der Smutje lag ausgebreitet neben der Kochstelle, vor dem Mund hatte sich der gleiche Schaum gebildet, den Torben bei der toten Ratte gesehen hatte; dünner Schleim sickerte aus der Nase des Mannes.
»Das kommt davon, wenn man von der Ration des Gefangenen isst.« Der Pirat stieg über den Toten, taumelte zuerst gegen den Arbeitstisch und dann gegen den erloschenen Herd, bis er bei den Vorratsfässern angelangt war.
Noch immer fand er keine Erklärung für die Sache, die an Bord vorging, aber dafür war ihm die Zeit zu kostbar, um länger darüber nachzugrübeln.
Eines der Fässer erschien ihm recht. Schnell kippte er das Sauerkraut bis auf einen kleinen Rest auf den Boden, dann suchte er den Deckel des Behälters, steckte sich ein paar Küchenmesser ein und kehrte mit seinem Fund schweratmend an Deck zurück.
Seine Lunge brannte wie Feuer, die Muskeln an Armen und Beinen zitterten, und nur noch mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, in das Fass zu klettern.
Er wollte gerade den Deckel aufsetzen, als er die dunkle Gestalt bemerkte, die sich an der Winde des Beibootes zu schaffen machte.
Sie trug die Kleidung eines palestanischen Seemannes, doch an der Seite hing ein für Mannschaftsmitglieder eher ungewöhnliches Kurzschwert.
Offensichtlich hatte der Palestaner Torben und sein Sauerkrautfass, das hinter dem Großmast und im Rükken des Unbekannten stand, nicht bemerkt, oder er war zu sehr in seine Arbeit vertieft. Auf alle Fälle kümmerte er sich nicht um den ausgebrochenen Piraten.
Der Rogogarder sah die beiden Seesäcke des Fremden im Beiboot liegen, und er war sich sicher, dass sie sich vor wenigen Minuten noch nicht dort befunden hatten.
Torben kam allmählich ein seltsamer Verdacht. Sollte sein geheimnisvoller Passagier doch nicht mit der Grazie untergegangen sein? Hatte der Fremde vielleicht die Mannschaft vergiftet und den Kapitän getötet?
Die Fröhlicher Gruß rutschte knarrend ein Stück tiefer, das Fass kippte um und rollte in Richtung Reling.
Gerade noch rechtzeitig hatte sich der Pirat in das Innere des Behälters zurückgezogen und den Deckel mit dem Griff nach innen aufgesetzt.
Die heftigen Drehungen verursachten ihm Übelkeit, doch er klammerte sich an den Henkel und zog ihn fest zu sich heran, um das Fass so dicht wie möglich zu schließen.
Der Behälter polterte gegen irgendetwas und kam zum Stehen. Torben nutzte die kurze Phase der Ruhe und zog die Ketten durch den Griff, um mehr Zugkraft aufbringen zu können.
Dann legte sich die Fröhlicher Gruß nach Steuerbord, rutschte von dem Felsen, auf den sie aufgelaufen war, und begann zu sinken.
Das Fass rollte los, hüpfte über die Reling und plumpste ins Wasser.
Der Pirat betete zu allen Göttern, dass sie ihn beschützen sollten. Der Behälter erwies sich als leidlich wasserdicht, nur wenige Tropfen Flüssigkeit sickerten am Deckel durch, während Torben einen wilden Ritt auf den Wellen absolvierte.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit verließen ihn die Kräfte, aber auch der Sturm schien schwächer zu werden.
Mit Hilfe der Messer und ein paar Kettengliedern verkeilte er den Deckel, dann schloss er vor Müdigkeit und Erschöpfung die Augen und glitt in tiefe Dunkelheit.
Torben erwachte mit dem beißenden Geruch von Sauerkraut in der Nase, und vorsichtig schlug er die Augen auf.
Der Deckel des Fasses war weg, sodass der Pirat den hellen, feinen Sand sehen konnte, auf dem der Behälter gestrandet war. Das Meer plätscherte leise, kleinere Wellen liefen den Strand hinauf, an dem Muscheln, Seetang und Treibholz angespült lagen. Die Sonnen versteckten sich irgendwo hinter dem Nebelschleier, und es war empfindlich kalt.
Jetzt erst bemerkte der Rogogarder, dass er am ganzen Leib zitterte und erbärmlich fror. Mit steifen Gliedern kroch er aus dem Fass, über und über mit dem restlichen Sauerkraut behangen, das er eigentlich als Proviant für die Tage auf See vorgesehen hatte.
Es roch intensiv nach frischem Tang, und so wie der Strandabschnitt aussah, über den er sich gerade schleppte, musste der Sturm der letzten Nacht verheerend gewesen sein.
Schwerfällig rollte sich der Pirat nach ein paar Metern auf den Rücken und betrachtete die Sonnen, die als graue, helle Bälle durch den Dunst schimmerten.
»Überlebt hast du, jetzt musst du sehen, wie’s weitergeht«, murmelte Torben zähneklappernd. Noch hatte er keine Ahnung, wo er sich befand.
Langsam wälzte er sich auf die linke Seite und sah direkt vor sich das
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