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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ausgewachsenen Männern verfügte.
    Sein Gebaren glich zusehends dem einer wilden Bestie, das Fleisch aß er nur noch roh, und einige sagten, er trinke das noch warme Blut seiner Gegner. Die Zeit spielte für ihn keine Rolle, denn er alterte nicht mehr.
    Auf dem Schlachtfeld führte er eine eisenbeschlagene Deichsel als Keule, sein Schwert war so hoch wie zwei ausgewachsene Männer und schwer wie ein großes Weinfass, sein Schild glich von den Ausmaßen her einem Mühlstein und hatte dessen Gewicht.
    So kam er aus zweierlei Gründen zu seinem Namen, denn einmal vollführte er ungeheuerliche Grausamkeiten, zum anderen sah er auch aus wie eine wilde Bestie. Das einfache Volk gab ihm den Beinamen ›Das Tier‹, und Sinureds Taten sprachen Bände.
    Längst gehorchten die Soldaten nur noch, weil sie Furcht vor dem Wesen hatten, das einmal Sinured gewesen war. Dennoch stürmten und verwüsteten sie weiter, denn sie fanden schon lange Gefallen an dem Morden und Plündern. Bestien und unbeschreibliche Ungeheuer kamen aus den Sümpfen, angelockt von dem Blutgeruch der Opfer, und schlossen sich der Armee an.«
    ULLDARTISCHER GESCHICHTSALMANACH, XXI. Band, Seite 1051
    Satucje, an der Westtarpolischen Küste, Winter 441 n.S.
    Torben saß am Tisch, rührte den starken Tee in der Holzschale und beherrschte sich, um nicht ständig an den juckenden Wunden am Rücken zu kratzen. Er wertete das als Zeichen der schnellen Heilung, die ohne die Hilfe von Laja niemals möglich gewesen wäre.
    Die Tage, die er in dem kleinen Dorf verbrachte, liefen alle sehr ähnlich ab. Während er auf dem Lager ungeduldig auf seine Genesung wartete, erzählte die betagte Frau zum Zeitvertreib des ungeduldigen Kranken Geschichten aus dem eigenen Leben, dem Dorf und Tarpol.
    Der Pirat erfuhr auf diese Weise, dass ihr Mann als Fischer zur See gefahren war. Palestaner hatten ihm Zusammenarbeit mit Piraten und Schmuggelei unterstellt, ihn misshandelt und das Schiff einfach versenkt. Der Fischer schwamm zwar noch bis nach Hause, aber er starb an Entkräftung und Unterkühlung. Passiert war das Ganze vor mehr als dreißig Jahren, doch der Hass Lajas gegen die Kauffahrer würde sich niemals legen.
    Ein Blick aus dem Fenster genügte Torben, um sich die klirrende Kälte vorzustellen. Der Winter hatte die Küste fest im Griff, eisige Winde peitschten die Wellen gegen die provisorische Hafenmauer, die unter der immensen Wucht aber glücklicherweise nicht zusammenbrach.
    An ein Auslaufen brauchten die Männer des Dorfes nicht zu denken, das tosende Wasser würde die Boote innerhalb weniger Augenblicke zu Kleinholz verarbeitet haben.
    Torben fühlte sich heute in der Lage, in Richtung Rogogard aufzubrechen, um seine Erlebnisse erzählen zu können und andere vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Denn er vermutete, die Palestaner verfügten über weitere der umgebauten Jagdschiffe vor Tarpols Westküste. Das Kapern würde zu einer gefährlicheren Sache werden, als sie früher ohnehin schon gewesen war.
    Aber von hier aus würde ihn keine der Nussschalen nach Rogogard bringen, er musste also in die nächst größere Stadt. Der Pirat hatte den Richter bereits um Hilfe gebeten, aber das damals gemachte Angebot stellte sich als ein leeres Versprechen heraus, und jetzt musste Torben sehen, wie er alleine nach Ludvosnik kam.
    Ein paar von Lajas Freunden hatten dicke Kleidungsstücke und gefütterte Stiefel gespendet, damit der Rogogarder nicht erfrieren musste, wenn er sich auf den Weg machte. Einige der Dorfbewohner waren mit dem Untergang der Fröhlicher Gruß zu ein bisschen Wohlstand gekommen, und irgendwie machten alle Torben für das kleine Glück verantwortlich, was ihn wiederum zu einem gern gesehenen Menschen werden ließ.
    Im Besitz der beiden Seesäcke zu sein, bestritt allerdings jeder. Alles mögliche sei gefunden worden, nur keine ledernen Behältnisse, auf die die Beschreibung des Piraten gepasst hätte.
    Der Rogogarder beschloss, dass es für alle das Beste war, anzunehmen, der Mörder der Besatzung sei mit seiner rätselhaften Ausrüstung untergegangen.
    »Ich hoffe, dass ich dich eines Tages wieder sehe, Torben.« Laja kam mit einem Arm voll Holz herein und beförderte die Scheite in den bulligen, kleinen Ofen, der in der Mitte des Raumes stand.
    »Die Ladung des ersten palestanischen Schiffes, das ich geentert habe, werde ich dem Dorf schenken«, antwortete der Pirat. »Das ist das Mindeste, womit ich mich für die Hilfe erkenntlich zeigen

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