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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Entkleiden. »Allen werden noch die Augen übergehen.«
    Für die Dauer des Aufenthalts von Aljascha Radka, Vasruca von Kostromo, ließ sich der Gouverneur nicht mehr in ihrer Nähe blicken, was der Frau nichts auszumachen schien. Sie unterhielt sich weiterhin mit allen anderen, als wäre in der besagten Nacht nichts Außergewöhnliches geschehen.
    Tatsächlich hatte der Palast Wind vom nächtlichen Abenteuer, das wohl nicht zur beiderseitigen Zufriedenheit verlaufen war, bekommen, und jeder präsentierte eine andere Version des Vorfalls.
    Diejenigen, die bis dahin noch nichts davon wussten, erfuhren es aus dem Munde der Durchlaucht persönlich, die natürlich noch ein paar Besorgungen in Granburg zu erledigen und jedem ihrer Bekannten andeutungsweise vom Versagen des Statthalters zu erzählen hatte.
    Lodrik verbrachte viel Zeit in der Fechthalle und übte so hart, wie es Waljakov noch nie bei seinem Schützling gesehen hatte.
    »Herr, die Wut ist ein schlechter Lehrmeister«, bemerkte er nach einem weiteren Fehler des jungen Gouverneurs.
    »Und der Hass?« Ohne Ansatz stieß die Übungsklinge nach dem Herz des Leibwächters. Die mechanische Hand fing die stumpfe Waffe ab und entriss sie Lodrik.
    »Beide sind miteinander verwandt, nur Hass hält sich länger.« Wortlos reichte er ihm den Säbel zurück.
    Der Junge seufzte. »Ich weiß. Aber irgendwann werde ich es ihr heimzahlen.«
    »Ich vermute, Ihr meint Eure Cousine.« Der Mann hob den Säbel und ging in Angriffsposition. »Was ich eben über die Wut gesagt habe, stimmt schon. Aber die Wut kann in einem Kampf auch von Vorteil sein. Nur bei Euch ist sie momentan eher hinderlich, weil sie Eure Konzentration auf Eure Schläge verjagt. Wenn Euch aber in einem Gefecht die Kräfte schwinden, dann erinnert Euch an den gestrigen Abend und hackt Eurem Gegner den Kopf von den Schultern. Setzt die Wut bewusst ein, aber lasst ihr nie die Oberhand. Wird sie zu stark, seid Ihr geliefert, weil sie Eure Sinne blockiert. Vertraut mir, ich weiß, wovon ich rede.«
    Unwillkürlich schaute Lodrik auf die mechanische Hand.
    »Genau, Herr. Das meine ich, und dabei hatte ich noch großes Glück.«
    »Wie ist es passiert? Stoiko sagte etwas von einem Beil.«
    »Wir trinken etwas, Herr, und ich erzähle es Euch.« Beide nahmen sich verdünnten Wein und setzten sich. »Es war während eines Kampfes in meinen wilden Jugendjahren. Meine Eltern waren Kaufleute und nahmen mich anfangs mit auf ihre Reisen quer durch Tarpol und die umliegenden Reiche. Ich wusste zu der Zeit allerdings schon lange, dass mich das Dasein als Händler nicht weiter interessieren würde und hatte zusammen mit ein paar Freunden heimlich mit dem Schwert geübt. Es kam, wie es kommen musste. Irgendwann wurde unser Wagen von einer Bande Räuber gestellt. Nachdem alle Wachen getötet worden waren, stand ich allein gegen acht der Halunken. Ich stürmte voller Hass und ohne Umsicht vorwärts, um wenigstens einen mit ins Grab zu nehmen, doch die Mühe machten sie sich erst gar nicht. Ihr Anführer schleuderte sein verfluchtes Wurfbeil und machte mich zum Krüppel.« Er nahm einen großen Zug aus dem Pokal. »Meine Eltern waren zu schwer verletzt, um Hilfe zu holen. Also band ich mir meinen Stumpf ab und schleppte mich die Straße entlang, bis ich die Stadt erreichte. Wir wurden gerettet, mein Vater gab die mechanische Hand in Auftrag, die von einem mächtigen Cereler angebracht wurde.« Die metallenen Finger wackelten und bewegten sich wellenförmig. »Danach wurde ich Kämpfer und stellte mich, glaube ich, gar nicht so dumm an. Der unorthodoxe Kampfstil, den sich meine Freunde und ich selbst beigebracht hatten, erwies sich als schlagkräftig, und so kam ich zunächst in die Dienste Eures Vaters und dann in Eure.«
    »Das ist sehr interessant«, staunte Lodrik. »Hat man die Räuber jemals erwischt?«
    »Ich habe sie erwischt.« Der Leibwächter grinste wölfisch. »Alle auf einmal. Und ich habe herausgefunden, dass die Räuber von Ontarianern angeheuert worden waren, um die Konkurrenz aus dem Geschäft zu drängen. Dem Ontarier habe ich natürlich auch einen Besuch abstatten müssen, und er war nicht sehr erfreut.«
    »Was hast du mit ihm gemacht?«
    Waljakov blinzelte. »Herr. Fragt Ihr mich das allen Ernstes?«
    »Schon gut. Ich will es nicht hören. Bis auf eines: Wie lautet dein Vorname?«
    »Es ist schon so lange her, dass ich ihn gehört habe, deshalb wollen wir es bei Waljakov belassen, Herr«, antwortete der Mann

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