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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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deutlich zu erkennen. Es waren insgesamt drei Frauen, die er ins Visier genommen hatte. Es überraschte mich kaum, dass allein auf sechzehn Fotos die Businessfrau zu sehen war, die ich vom Café-Computer vertrieben hatte. Kein schöner Gedanke, dass ich ihr so nahe gekommen war.
    »Das ist die Frau, die ich angerempelt habe«, sagte Zoë und tippte mit dem Zeigefinger auf ein Bild, auf dem die Frau vor einer unberührten Tasse im Café saß und eine Zeitung las. Allmählich konnte ich mir zusammenreimen, wie Rubio seinen Henkern begegnet war.
    »Sie haben ihn bestimmt mit Werbematerial eingedeckt und ihm ein Angebot gemacht«, sagte ich. »Er dachte, er hätte wirklich nur eine Immobilienfirma kontaktiert. Im Fernsehen hat er möglicherweise Juna Talbot gesehen – und natürlich nicht erkannt, was sie war. Und falls er mit einem der Mitarbeiter telefoniert hat: An der Stimme lässt sich der Schatten ja nicht erkennen.«
    Irves nickte. »Und dann hat er die Tür aufgemacht, um den Makler zur Besichtigung zu empfangen, und merkte zu spät, wen er da ins Haus gelassen hatte.«
    »Armer Dr. Rubio«, sagte Zoë bedauernd. »Meine Mutter mochte ihn. Er war immer fair zu ihr.«
    Und unfair und grausam gegen seinesgleichen , setzte ich in Gedanken hinzu. Und dennoch konnte ich nicht anders, als ebenfalls Mitleid für ihn zu empfinden. Er war ein grausamer, alter Mann gewesen, der sich zu unserem Richter aufgeschwungen hatte. Aber die Vorstellung, was er gefühlt haben mochte, als er selbst den Henkern gegenüberstand, machte mich einfach nur fertig.
    »Und da haben wir auch die zwei aus den Nachrichten«, sagte Gizmo und deutete auf die Rothaarige und die zweite Frau. Auf dem Bild gingen sie am Rand des Platzes vorbei, den Blick schon auf die nächste Straße gerichtet. Ich versuchte mir die Hyänenschatten vorzustellen, die ihnen folgten, aber es war wirklich schwierig, solche Raubtiere zwei damenhaften Frauen zuzuordnen, die mühelos als Upperclass-Ladys durchgegangen wären. Gizmo hob das nächste Bild ab und ich erstarrte. Rubio hatte auch mich fotografiert. Ich stand am Gatter zur U-Bahn-Treppe. Mit grimmigem Gesichtsausdruck hielt ich ihm das Schild entgegen:
    Dr. G. Rubio, ein Mörder?
Und ich weiß, wen Barb töten wollte.
    Doch nicht ich war im Zentrum des Bildes, sondern die Rothaarige mit Sonnenbrille, die etwa zehn Meter hinter mir stand und zu mir (oder zu Rubios Haus) hinübersah. Jetzt wurde mir einiges klar: Rubios Anruf und die Tatsache, dass er mich so schnell wie möglich von der Straße weggeholt hatte. Hätte sie das Schild gesehen, dann hätte sie sofort gewusst, dass ein Seher sie entdeckt hatte. Und sie hätte ebenfalls angenommen, dass Barb mich eingeweiht hatte. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt bei dem Gedanken an die Gefahr, in der ich geschwebt hatte, ohne es zu wissen. Knapp davongekommen. Der nächste Gedanke war nicht sehr viel angenehmer: Hatte ich Rubio vielleicht tatsächlich an sie verraten? Einfach, indem ich ihre Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hatte?
    In diesem Moment legte Gizmo das letzte Foto aufs Parkett. Nach der Sortierung musste es das Bild sein, das Rubio ganz am Anfang des Films geschossen hatte.
    »Bingo«, sagte Irves.
    Nein, ich habe ihn nicht verraten , dachte ich. Ich hätte erleichtert sein sollen, aber das, was ich dort sah, machte mich einfach nur traurig.
    »Ich hoffe, du hast einen Scanner«, sagte ich zu Irves.
     

Herkules
    Manchmal war Gizmos kriminelle Energie auch sehr nützlich. Für den Fall, dass die Polizei nach seinem Kennzeichen Ausschau hielt, hatte er kurzerhand einem anderen Lieferwagen das Kennzeichen entwendet und es an seinem Wagen befestigt. Ich fragte trotzdem lieber nicht, wie er sich bei einer Kontrolle herausreden wollte. Die Stimmung war ohnehin am Gefrierpunkt angelangt, als wir die Kommunikationspunkte mit den Markierungszeichen der Gemeinschaft abklapperten. Es hatte etwas von einer Fahrt mit explosivem Material, bei der jede Erschütterung den Knall auslösen konnte. Gizmos Missbilligungswellen hüllten mich ein wie ein lästiger Mückenschwarm, der sich nicht abschütteln ließ. Und jedes Mal, wenn er so harsch anfuhr und bremste, als wäre er bei einer Stuntshow, war es, als würde er mir noch einmal ins Ohr brüllen, was er von der ganzen Aktion hielt. Keiner sagte ein Wort und ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, ob ich irgendwo auf der Straße einen von der Gemeinschaft entdeckte. Zoë hatte die Augen zusammengekniffen

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