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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Schatten. Dabei jedoch bewusste Nutzung der Instinkte, die Vorrang haben vor den menschlichen Impulsen. Fehlen einer Tötungshemmung! Revierverhalten wie bei 2b. Dennoch keine Verwahrlosung und kein Schlafwandlerstadium. Dafür intelligente und zugleich instinkthafte Nutzung von Tarnungen, die bis hin zur Ausbildung von Imitation geht. Verhalten wie bei menschlichen Psychopathen: Es fehlt jedes Mitgefühl, alleiniges Ziel ist die Sicherung und Erweiterung des Reviers und die Kontrolle über die Umgebung. Vermutlich falsche und wechselnde Identitäten. Bevor sie die Stadt in Besitz nehmen, schicken sie Kundschafter, die das Terrain sondieren. Dann folgt das Rudel. Es übernimmt die Reviersäuberung. Vermutlich gehen sie Revier für Revier vor und erweitern so allmählich ihren Machtbereich. « Zoë schluckte und fuhr mit schwächerer Stimme fort: » Klammer auf: Sie töteten Maurice, Barbara. Klammer zu .«
    Reviersäuberung. Inbesitznahme. Mir wurde so kalt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Auch im Raum schien es schlagartig kühler geworden zu sein.
    »Er hat sie offenbar sehr genau beobachtet«, stellte Irves trocken fest. »Und wenn nur die Hälfte dieser Thesen stimmt, wäre Ausräuchern wirklich keine schlechte Wahl.«
    » Die neue Art «, schloss Zoë. »Das hat er in Großbuchstaben getippt: Die, die nach uns kommen. Besser angepasst. Niedergang der Werte. Wir sind die tote Generation. Unsere Zeit ist vorbei. Einzige Möglichkeit: Räumung des Reviers noch vor der Entdeckung .«
    Bei diesen letzten Sätzen schlug Zoës Stimmung merklich um. Ihr Ton wurde hart und wütend, und sobald sie die letzten Worte vorgelesen hatte, knüllte sie das Papier zusammen und pfefferte es in die Ecke.
    »Inbesitznahme!«, fauchte sie. »Ich werde ganz sicher nicht ›vor der Entdeckung das Revier räumen‹!«
    Mit diesen Worten sprang sie auf und ging zum Fenster. Mit einem wütenden Schwung riss sie es auf und kletterte auf den Teil des Dachs, der wie eine Terrasse wirkte. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und atmete mit dem Rücken zu uns tief durch, als müsste sie sich beherrschen, nicht zu schreien. Bis in die Wohnung hinein spürte ich die zornigen, verzweifelten Impulse, die von ihr ausgingen.
    »Siehst du? Killer!«, bemerkte Irves und grinste. »Wie ich es dir gesagt habe.« Dann wurde er schlagartig ernst. Prüfend sah er mich an. »Und was ist mit dir? Kämpfen oder weichen?« Bedeutungsvoll hob er die Brauen. Ich wusste, was er sagen würde, noch bevor er fortfuhr. »Wenn wir kämpfen«, sagte er leise, »heißt das, dass vielleicht auch jemand dabei umkommt.«
    Mir war klar, dass er damit nicht nur meinte, dass vielleicht einer von uns daran glauben musste. Ich brauchte eine Weile, bis ich antworten konnte. So viele Bilder erschienen vor mir. Ghaezel und die Hochebenen. Die Heimat der Vergangenheit. Aber in meiner Gegenwart gab es nun die Stadt. Meine Stadt! Die Stadt, in der wir alle lebten – Zoë und Irves und all die anderen, über die ich mich nicht länger erheben konnte und wollte. Zumindest das hatte Rubio mir beigebracht: Ich konnte dem Schatten nicht entfliehen. Ich war keinen Deut besser als die anderen.
    »Das wird sich zeigen«, sagte ich heiser. »Auf jeden Fall haben wir allein keine Chance. Je mehr wir sind, desto größer ist die Chance, dass wir in der Überzahl sind und mit ihnen fertig werden.«
    Irves betrachtete mich nachdenklich. Die weiße Ledercouch hinter ihm, die Wand, die weißen Papiere – er sah aus wie ein Fantasywesen in seinem natürlichen Lebensraum.
    »Gizmo sieht das mit der Gemeinschaft sicher anders«, meinte er.
    »Dann wirst du ihn eben überzeugen!«, sagte ich heftig. »Auf dich hört er mehr als auf mich.«
    Er lächelte unergründlich und ich wandte den Blick ab und sah zu Zoë. Der Wind zerrte an ihrem Haar. Und jetzt bemerkte ich auch, dass etwas nicht stimmte: Sie stand ganz am äußersten Rand der Dachterrasse und starrte in die Tiefe!
    Sie zuckte nicht einmal zusammen, als ich ein paar Sekunden später von hinten an sie herantrat und die Arme um sie legte, sondern lehnte sich an mich, als wäre es für sie das Selbstverständlichste auf der Welt, hier so nah am Abgrund zu stehen.
    »Was machst du hier?«, flüsterte ich ihr zu. »Hast du keine Angst, dass dir schwindelig wird?«
    »Katzen sind doch schwindelfrei«, antwortete sie leise.
    »Nicht du«, antwortete ich.
    Der Wind wehte mir eine ihrer schwarzen Strähnen ins Gesicht. Ein

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