Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
irgendwie überzeugen, mich hier zu behalten. Wenigstens so lange, bis ich Gelegenheit habe, meinen Teil der Abmachung mit Norrock einzulösen.
Ich klopfe an seine Tür und öffne, ohne eine Antwort abzuwarten. Das Zimmer ist von mindestens einem Dutzend Kerzen in einen goldenen Schein getaucht. Elias sitzt in seinem Sessel und hält etwas, das wie ein kurzes Schwert aussieht. Immer wieder streicht er mit der Handfläche über die Klinge.
«Was tust du da?», frage ich.
Er zeigt mir seine Handfläche, die schimmert, als würde das zerriebene Licht einer Kerze darin schwimmen. «Ich wollte die Klinge glühen lassen, wie die Flammenschwerter unserer Ahnen. Aber es gelingt mir nicht.»
«Warum tust du das nicht in eurem tollen Trainingsraum?»
«Weil das hier eine ziemlich versponnene Idee ist, findest du nicht? Davon sollte eigentlich niemand erfahren, daher probiere ich so was in meinem eigenen Zimmer aus.» Er verzieht das Gesicht zu der Andeutung eines Lächelns. «Und außer dir würde niemand einfach so ungebeten reinkommen!»
Und damit du hier sitzen kannst, schickst du mir Chiara, die mich fast in einen Kampf verwickelt hätte? «Meine Respektlosigkeit liegt bestimmt daran, dass ich schon fast ein Werwolf bin.»
«Vielleicht.»
Ich wünschte, ich könnte mit ihm streiten, schreien, die Spannung brechen, die sich zwischen uns aufbaut. «Tu nicht so, als sei nichts gewesen. Du musst doch wütend auf mich sein? Schließlich komme ich direkt aus dem Wald von den Wölfen hierher! Von deinen Erzfeinden.»
Er wickelt das Schwert in ein kostbar aussehendes Tuch und legt es in eine Schublade. «Das hatten wir doch alles schon. Ich habe dir gesagt, du sollst nicht in den Wald gehen, und du bist trotzdem gegangen. Ich war wütend, dass du dich mit einem gefährlichen Werwolf in deinem Zimmer eingeschlossen hast. So wütend, dass ich deine Tür eingetreten habe, und es war überflüssig, du warst nicht in Gefahr. Ich werde mich dir nicht weiter in den Weg stellen. Du wirst doch eh tun, was du willst. Du kannst bleiben, wenn du möchtest, oder du kannst gehen.»
«Du setzt mich also nicht auf die Straße oder lieferst mich an den Orden aus?»
Er lacht. «Heute nicht mehr, Luisa. Aber können wir später weiterreden? Felix und ich wollen Chiara gleich auf ihre erste Patrouille mitnehmen.»
«Ihr patrouilliert jetzt schon? Es ist doch noch gar nicht dunkel?»
«Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Stadt auch tagsüber genug Arbeit für Schutzengel bereithält.»
Da klingelt mein Handy. Eine SMS . «Sekunde!», sage ich und drehe mich weg, um die Nachricht zu lesen. «Planänderung», steht da. «Nick will sein Video sofort. Treffen alte Spionageanlage. Denk an unseren Deal und kümmer dich um Elias!»
Ich lese die Botschaft noch mal, dann stecke ich mein Handy wieder ein. Jetzt beginnt es. Jetzt werde ich meine Freundschaft zu Elias gegen ein Treffen mit meinem Bruder eintauschen.
«Thursen?», fragt Elias.
«Nein.» Ich muss ihn etwas Wichtiges fragen, ihn ablenken, damit er nicht auf Patrouille geht. Warum ist mein Gehirn gerade jetzt wie leergefegt? Gleich geht er. Was soll ich dann tun, mich an seine Beine hängen?
Doch dann ist er es, der redet. «Darf ich dich was fragen?»
«Was?» Klar. Rede nur. Rede!
«Du hast dich wieder verwandelt, aber du bist immer noch kein richtiger Werwolf, Luisa.»
«Nein. Man muss sich mindestens dreimal verwandeln, dann ist man unumkehrbar auf dem Weg zum Wolf.»
Er nickt. «Dann bist du das nächste Mal, wenn du aus dem Wald kommst, eine von ihnen?»
«Ich gehe nicht mehr zurück in den Wald.»
Er lächelt schief. «Gut, ich tu jetzt mal so, als würde ich das glauben.»
«Ich will kein Werwolf werden, Elias. Ich will nicht die Kontrolle über mein Leben abgeben, so wie die anderen. Immer öfter zum Tier werden müssen und irgendwann ganz aufhören, Mensch zu sein.»
«Ich dachte, du wolltest dazugehören zum Rudel.»
«Nein. Ich bin nicht wie sie. Nicht wirklich.» Und das ist noch nicht mal gelogen. Ich will nicht alles vergessen, was mein Leben ausmacht.
Elias seufzt. «Ich bin auch oft nicht wie die anderen.»
«Du meinst deine Freunde hier?»
«Das sind nicht meine Freunde. Adrian vielleicht ausgenommen. Sie helfen mir, mein Ziel zu verfolgen, aber sie sind nicht meine Freunde.»
Ich setze mich auf seine Couch und schlage die Beine unter. «Elias, der Anführer.»
«Meinst du? Weißt du, manchmal sehe ich ihnen zu, wie sie reden und lachen, und
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