Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Wir allein sind die Grenzgänger zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Schatten. Hast du dich nie gefragt, warum wir Werwölfe die Farbe verlieren?» Er sieht mich an. «Wir sind zu nah an der Schattenwelt.»
Nicht er, ich. Er ist kein Werwolf mehr und wird nie wieder seine Farben verlieren. Mich ruft die Schattenwelt zu sich!
«Luisa, du darfst da nicht reingehen, unter keinen Umständen, hörst du?»
«Das ist meine Entscheidung, Thursen. Mein Leben, mein Tod. Niemand kann bestimmen, was ich damit mache, auch du nicht.»
«In der Welt der Toten hast du nichts zu suchen, Luisa. Wir Werwölfe sind dafür da, dass diese Welten getrennt bleiben. Aus gutem Grund!»
«Und wieso hat Norrock mir das nicht so gesagt?»
«Weil ihr beide gleich verbohrt seid. Norrock mit seinem Rachefeldzug für Sjöll und du mit deiner Suche nach deinem Bruder. Und es bringt für euch beide am Ende nur Leid und Tod.»
«Du hast die ganze Zeit gewusst, wie ich meinen Bruder wiedersehen kann, und hast es mir nicht gesagt! Hast mich trauern, verzweifeln lassen und es mir nicht gesagt!»
«Dein Bruder ist tot. Selbst wenn du ihn dort siehst, macht ihn das nicht wieder lebendig. Nichts, hörst du, nichts bringt ihn in die Welt der Lebenden zurück!»
«Aber ich könnte ihn sehen! Ich könnte mit ihm sprechen, und das hast du mir nicht gesagt!»
«Die Aufgabe der Werwölfe ist es, das Tor zu bewachen, nicht hindurchzugehen. Menschen, so wie du, sollen dem Tor nicht mal nahe kommen! Glaub mir, es ist besser so!»
«Was willst du tun, um das zu verhindern?»
«Alles. Ich meine es ernst, Luisa.»
«Drohst du mir? Ich dachte, wir halten zusammen, was immer auch geschieht? Hast du das nicht gesagt?»
«Ja, das habe ich gesagt. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass du über so etwas überhaupt nachdenken würdest!»
«Ich denke nicht nur darüber nach, ich werde es tun. Thursen, ich werde mit meinem Bruder sprechen!»
«Wenn du das machst, haben wir uns nichts mehr zu sagen. Ich will nicht, dass du dich in einen Werwolf verwandelst, das weißt du. Aber wenn du den Eingang zum Totenreich suchst, dann will ich dich nie mehr wiedersehen. Nie mehr, hörst du?»
Ich greife nach meiner Kette, öffne den Verschluss im Nacken und drücke sie Thursen in die Hand. «Dann hat sich das wohl erledigt.»
Ich lasse ihn stehen und setze meinen Weg fort. Diesmal kommt Thursen mir nicht nach. Und als ich mich umdrehe, steht er immer noch wie versteinert da, die Faust um meine Kette geschlossen.
Verflucht, schon wieder weine ich, auch wenn ich gar nicht will. Wie konnte Thursen von mir verlangen, mich zu entscheiden? Wenn Fabi mich ruft, mich in meinen Träumen ruft, dann muss ich doch zu ihm gehen!
Immer wieder reibe ich mir die Tränen aus dem Gesicht, bis keine neuen mehr nachkommen. Ich wünschte, ich könnte wenigstens mit Elias über alles reden. Doch auch ihn werde ich verlieren.
Als ich dann am Kurfürstendamm angekommen bin, meine Haare bestimmt zerzaust und meine Kleidung verdrückt, aber dafür meine Augen trocken, da sind sowohl die Eingangstür als auch die eiserne Tür zum Innenhof abgeschlossen. Verzweifelt laufe ich auf dem Bürgersteig auf und ab. Was soll ich jetzt tun?
«Luisa?», höre ich da auf einmal Elias’ Stimme, und dann steht er auch schon vor mir. «Du bist ja doch wiedergekommen!» Er drückt mich für einen kurzen Moment an sich.
«Woher wusstest du, dass ich hier bin?»
Er zeigt nach oben. Natürlich, vom Dach aus hat er mich gesehen.
«Elias, darf ich wieder bei euch wohnen? Bitte!»
«Komm erst mal rein.» Gemeinsam gehen wir zum Eingang. «Hast du dein Gepäck nicht dabei?», fragt er über die Schulter, als er hinter mir die Eingangstür wieder abschließt.
«Meine Sachen sind noch bei Thursen.» Beim Gedanken an Thursen brennen meine Augen schon wieder.
Endlich dreht Elias sich zu mir um und betrachtet mich. «Da sind so viele Schatten um dich, viel mehr als vorgestern.»
«Ja, ich weiß.» Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. «Ich habe mich noch mal verwandelt. Es ging nicht anders.»
«Was willst du dann noch hier, Luisa? Du gehörst doch jetzt zu ihnen. Lieber Himmel, du kannst dir doch vorstellen, dass der Rat von mir erwartet, dich auszuliefern.»
Scheiße, daran habe ich nicht gedacht. «Hast du deshalb die Haustür hinter mir abgeschlossen? Damit ich nicht fliehe?»
«Das traust du mir zu? Wir hatten uns versprochen, uns trotz allem zu vertrauen.»
«Ich habe dir
Weitere Kostenlose Bücher