Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
Vom Netzwerk:
Akzeptieren die Wölfe Thursen immer noch? Auch jetzt, wo er nicht mehr ihr Leitwolf ist? Niemand sagt etwas oder hält uns auf, als er mich hinaus aus dem Nebel in die Dunkelheit zwischen den Stämmen führt. Er holt eine Stablampe heraus, die er anknipst, damit sie mir Licht gibt. Mir, denn er hat seinen Weg auch im Dunklen gefunden. Die Lampe schneidet vor uns eine helle Scheibe aus der Nacht. Da, wo Thursen hinleuchtet, ist die Luft winterklar. Der Nebel ist verschwunden. Ich kann die braunen, zerknüllten Blätter, die durch den pulvrigen Schnee stechen, die Borke der braunfeuchten Baumstämme genau erkennen. «Eben war noch überall Nebel, und jetzt ist die Luft wieder so klar. Wie kommt das bloß?»
    «Der Nebel war nur auf der Lichtung?», fragt Thursen, ohne zurückzublicken.
    «Ja, es schien fast so.»
    Thursen nickt. «Norrock hat ihn gerufen.»
    «Norrock? Mit seinem Heulen? Werwölfe können doch nicht das Wetter beeinflussen!»
    Thursens Weg führt quer durch den Wald. Abseits der Wanderwege, abwärts, aufwärts, wie es gerade kommt. Wir müssen ein paar Meter einen Hang hinaufsteigen. Thursen klettert voraus. Scheint den Halt an Zweigen und Wurzeln nicht zu benötigen. Oben wartet er, dass ich nachkomme, und leuchtet mir den Weg. «Der Leitwolf kann die Nebel rufen, das ist alles.»
    Ich bin nicht so geschickt wie er. Ich habe mich an allem, was in Reichweite war, den Hang hochgezogen und reibe mir jetzt den Schmutz von den Händen. «Nebel rufen. Konntest du das auch, damals?» Seltsam, dass ich erst jetzt erkenne, was Thursen wirklich war, was es heißt, Leitwolf zu sein, wo er es nicht mehr ist.
    «Ja, das konnte ich.»
    Was muss es für ein Gefühl sein, Nebel aus der Erde aufsteigen lassen zu können? Naturgesetze außer Kraft zu setzen? «Wie ist es?»
    «Luisa, das ist lange her. Außerdem ist es dumm.» Er nimmt wieder meine Hand, die er vorhin zum Klettern losgelassen hat. «Welchen Sinn hat der Nebel denn heute noch? Früher, als die Werwölfe noch mächtig waren, konnten sie in seinem Schutz angreifen. Oder ungesehen fliehen, wenn ihnen die Feinde auf den Fersen waren. Jetzt, wo wir letzte Wölfe uns lieber verborgen halten sollten, zieht man damit nur Aufmerksamkeit auf sich. Es fällt schließlich auf, wenn sich das Wetter plötzlich an einer Stelle ändert.»
    Und wieder einmal sagt er mir nichts. Nicht, wer die Feinde sind. Nicht, warum die Werwölfe ihre Macht verloren haben. Nichts.
    Wir zwängen uns zwischen struppigen Büschen hindurch und sind auf einem Wanderweg. Der Rückweg erscheint mir so viel kürzer als der Hinweg. Vielleicht, weil ich jetzt sehen kann, und wenn es auch nur im Licht der Taschenlampe ist. Weil mich diesmal niemand mit verbundenen Augen durchs Unterholz stolpern lässt. Vielleicht aber haben Haddrice und Mauriks auch absichtlich Umwege genommen, um mich zu verwirren. Jedenfalls erreichen wir die Asphaltstraße und nach ein paar weiteren Metern die Bushaltestelle. Neben mir geht jemand, der einmal Leitwolf der Werwölfe war. Der Nebel rufen konnte. Thursen ist mir so fern. Wir haben über Nebel und Werwölfe geredet, aber nicht über uns. Und natürlich erklärt er mir auch diesmal nichts. Schweigend begleitet Thursen mich zum Bus, steigt mit mir ein. Steigt auch mit mir um in die Bahn.
    «Du bist sauer auf mich, nicht wahr?», fragt er, als wir uns nebeneinander in die abgeschrabbelten Polster gleiten lassen.
    «Ja, ich bin sauer.» Ich hatte Angst, und ich habe ihn furchtbar vermisst. Das alles wäre nie passiert, wenn er noch derselbe Thursen wäre, der mir in der Silvesternacht geschworen hat, immer für mich da zu sein. Ich rücke näher, lege meinen Kopf an seine Schulter. Er nimmt mich in den Arm, und statt es zu genießen, frage ich mich, wie lange ich ihn diesmal für mich haben werde. Wann er wieder aufstehen und davonlaufen wird und mir nicht sagt, wohin. «Können wir zu dir fahren und über alles reden?», frage ich.
    Er rückt in seinem Sitz ein Stückchen zum Fenster, dreht sich zu mir und sieht mich an. «Agnetha ist da.»
    Wie schön, wieder in seine braunen Augen zu sehen. «Ja und? Ich mag Agnetha.»
    «Weißt du –», beginnt er, doch ich falle ihm ins Wort.
    «Sag nicht, du gehst schon wieder weg!»
    «Nein, diesmal nicht.»
    Er hat seinen Arm auch jetzt um meine Schultern gelegt, als wir zu seinem Haus gehen.
    «Lars?», höre ich Agnetha aus dem Keller, als wir das Haus betreten.
    «Ich habe Luisa mitgebracht!», ruft Thursen zu seiner

Weitere Kostenlose Bücher