Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Schwester hinunter. Wir hängen unsere schneeigen Jacken auf und stellen die Stiefel zum Trocknen auf den Rost. Dann gehen wir in sein Zimmer.
Auf seinem Bett ziehe ich meine frierenden Füße an den Körper. Genieße, dass er neben mir sitzt. Ich lege meinen Kopf an seine Brust und schlinge die Arme um seinen Hals. Irgendwie kann ich besser reden, wenn ich ihn festhalte. Seine Haare sind schon lange nicht mehr grau wie Krähenfedern, aber jetzt habe ich mehr Angst als je zuvor, dass er mir eines Tages wie eine davonfliegt. «Ich habe mich in einen Wolf verwandelt, Thursen.»
«Das habe ich gesehen.»
Wie es wohl für ihn war, mich in meiner Wolfsgestalt zu sehen? Er hat mich trotzdem erkannt, doch ich ihn nicht. Menschen waren mir auf einmal so fremd. Alles war fremd. «Ich wusste nicht, wie es ist.»
«Du hast doch so oft bei meiner Verwandlung zugeschaut.» Er spürt mein Schaudern, zieht an der Überdecke und legt sie mir um die Schultern.
Doch mein Beben kommt nicht von der Kälte. Nicht nur. «Ja, ich habe zugesehen! Ich habe gesehen, wie ein Körper die Form wechselt. Sich von einem Menschenkörper in einen Tierkörper verwandelt. Ich habe aber nicht gefühlt, wie es ist, wenn die eigenen Gedanken einem plötzlich nicht mehr gehören. Wenn man anfängt, wie ein Tier zu denken!»
«Du warst kein Tier, du warst immer noch Mensch. Immer noch Luisa. Das war erst der allererste Anfang.»
«Es ging so leicht! Dieser andere Junge hat sich so bemüht und sich trotzdem nicht richtig verwandelt. Und ich, ich bin von einem Moment auf den anderen in die Wolfsgestalt gerutscht.» In dem Moment, wo mich der Gedanke an ihn nicht mehr gehalten hat, doch das sage ich ihm nicht.
«Und es hat dir nicht gefallen?»
«Doch, das war vielleicht das Schlimmste! All die Sorgen, dass es meiner Mutter so schlecht geht, dass mein Vater nicht zu uns zurückkommen will, die waren ja noch da! Selbst der Schmerz um Fabi. Aber sie sind irgendwie in den Hintergrund gerückt. Nur noch, was in dem Moment passiert ist, war wichtig. Die Gegenwart. Satt sein. Dass das Rudel da ist. Gestern und morgen, all meine Sorgen, waren fast egal! Es hat mich so gelockt, einfach dazubleiben. Und gleichzeitig hat es mir eine Heidenangst eingejagt. Thursen, warum fällt mir das Verwandeln so leicht?»
Er fährt mit der Fingerspitze meine Wangenknochen nach. «Weil da immer schon ein Teil in dir war, der aus der Wirklichkeit fliehen möchte.»
«Manchmal denke ich, da müsste Fell sein.» Ich sehe ihn an und wärme mich am Blick seiner braunen Augen.
Langsam und zärtlich streicht er mir über den Arm. «Da ist keins, glaub mir.»
Endlich lässt mein Zittern nach. «Weißt du, warum die Wölfe mich verwandelt haben? Weil Haddrice meinte, ich sei eine von euren geheimnisvollen Feinden.»
«Wie kommt sie denn auf den Schwachsinn?», fragt er und drückt mich in die Kissen. Spielt mit meinem Haar.
«Sie sagt, für einen normalen Menschen hatte ich zu viel Macht über dich, als du noch Leitwolf warst.»
Er schiebt meinen Pulli hoch und küsst meinen Bauchnabel. «Das stimmt allerdings.»
«Ich habe also Macht über dich. Und was bin ich dann?»
«Keine Ahnung. Ich weiß fast gar nichts über dich. Was weiß ich, was du gemacht hast, bevor du hergezogen bist.»
Jetzt lächelt er doch. Küsst mich erst auf die Nase und dann auf den Mund.
«Wir wissen so viel nicht voneinander», sage ich. Nicht einmal, ob wir uns noch wirklich vertrauen können.
«Dann lass uns uns besser kennenlernen», sagt er und schiebt seine Hand unter mein Shirt. Lässt sie über meinen Bauch wandern und dann weiter aufwärts. Tastet auf dem Rücken und sucht den Verschluss meines BH s. Dann streift er mir mit einer schnellen Bewegung meine gesamten Klamotten ab.
Ich ertrinke in seinen Küssen, bin schwindelig von seinen Berührungen. Bin nah daran, mich ganz darin zu verlieren. Ist es das, was er will? Dass ich bei ihm bleibe und keine Fragen stelle? Wieder nichts erfahre, nichts über die Feinde, nichts darüber, was er vorhat?
«Thursen, ich kann das jetzt nicht», sage ich. Setze mich auf und halte meine Arme vor der Brust gekreuzt.
«Ist schon gut», sagt er. «Willst du gehen?»
Er wollte ja ursprünglich gar nicht, dass ich herkomme. «Soll ich?» Ich greife nach meinen Sachen, um sie wieder überzustreifen.
«Warte», sagt er und legt seine Hand auf meine. Steht auf und nimmt eins seiner Shirts aus dem Schrank. «Zieh das an. Und bleib hier heute Nacht.»
Ich
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