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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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meine Mutter ihn mochte, als wir noch in Hamburg lebten. Jemand muss sie hereingelassen haben. Wer ist sie, und wieso ist mein Vater nicht hier?
    «Hallo?», sage ich.
    «Hallo, Luisa», sagt die Frau und lächelt so herzlich, als hätte sie lange dafür geübt.
    Doch ich falle nicht auf ihr Lächeln herein. «Was tun Sie in meiner Wohnung?»
    «Jens?», ruft sie.
    Aus der Küche kommt ein Junge, einen angebissenen Keks in der Hand, Schokoladenkrümel am Mund. «Ich glaub, der ist in dem Zimmer dahinten. Ist sie das?», fragt der Junge die fremde Frau, die in unserem Wohnzimmer steht, und starrt mich an.
    Ich antworte nicht, denn aus meinem Zimmer kommt ein Rumpeln, dem ich sofort folge.
    «Wo bleibst du denn?», fragt mich mein Vater, als er den Kopf aus meinem Kleiderschrank zieht.
    Er ist tatsächlich in meinem Zimmer. «Was zum Teufel tust du da?»
    «Ich suche deine Sachen zusammen, während du dich wo auch immer rumtreibst!» Er schiebt den Trolley zu mir. «Ach, pack doch selbst. Du ziehst jetzt zu uns.»
    «Uns? Die Frau da gehört zu dir?»
    «Wir reden später darüber. Du bleibst mir keinen Tag länger ohne Aufsicht in dieser Wohnung!»
    «Ich habe das mit meiner Mutter so abgesprochen!»
    «Ja, aber nicht mit mir, und wir haben immer noch das gemeinsame Sorgerecht. Sorgerecht heißt auch Verantwortung tragen.»
    «Mein Gott! Ich bin doch kein Kleinkind mehr! Ich bin siebzehn!»
    «Eben. Du bist noch nicht achtzehn, und so lange sind deine Eltern für dich verantwortlich. Und wenn deine Mutter meint, nur an sich denken zu müssen, dann kümmere ich mich eben.»
    «Sie ist krank und erholt sich!»
    «Darüber hätte sie mich sofort informieren müssen. Jetzt pack endlich deine Sachen. Und beeil dich, Tim hat heute noch ein Hockeyturnier!»
    «Tim?»
    «Der Sohn meiner Freundin. War er nicht im Wohnzimmer?»
    «Moment mal. Verstehe ich das richtig? Du hast eine Freundin, ihr wohnt zusammen, und sie hat einen Sohn?»
    «Ja.» Er stockt. «Jetzt sag bloß, deine Mutter hat dir nichts davon erzählt! Das ist mal wieder typisch! Aber wahrscheinlich hatte sie Angst, dass du dann bei uns wohnen willst statt bei ihr.»
    «Geht’s noch?»
    «Das liegt doch auf der Hand! Mit meiner Freundin und Tim hättest du wieder eine richtige Familie! Wir haben ein hübsches kleines Haus. Alles wäre wie früher!»
    Mein Körper reagiert, noch ehe mein Verstand überhaupt begriffen hat, was mein Vater da gesagt hat. Mir ist speiübel, ich schaffe es gerade noch ins Bad, bevor ich mir die Seele aus dem Leib kotze. Mein Vater kommt nicht zurück. Mein Vater muss auch nicht zurückkommen. Er hat sich einfach eine neue Familie besorgt. Nur eine Tochter fehlt ihm noch in seiner neuen kleinen heilen Welt.
    Ich spüle meinen Mund mit Wasser aus, streiche meine Haare zurück und gehe wieder ins Wohnzimmer. «Ihr verschwindet jetzt. Alle. Raus hier aus meiner Wohnung!»
    «Luisa, benimm dich! Und außerdem ist das nicht deine Wohnung!»
    «Jens!», sagt die Frau im blauen Kleid. «Lass ihr doch erst mal Zeit! Soll ich dir einen Kaffee kochen, Luisa? Wir haben Kekse mitgebracht.»
    «Sie wollen in meiner Küche Kaffee kochen? Erst stehlen Sie meiner Mutter den Mann und jetzt auch noch die Kaffeemaschine?»
    «Genug mit dem Unsinn, Luisa!», sagt mein Vater. «Wir nehmen dich jetzt mit, ob es dir passt oder nicht! Du kannst doch nicht im Ernst erwarten, dass wir dich hier allein zurücklassen!»
    Ich drehe mich um und stürme in mein Zimmer. Reiße meine Schubladen auf und werfe Klamotten und Fabis Foto in den Rollenkoffer.
    «Kannst du nicht anständig packen!», sagt mein Vater, der mir nachgekommen ist, doch ich höre nicht hin. Dann stopfe ich noch unkontrolliert alle Schulsachen in meine Schulmappe, bis sie nur noch mit Mühe zu schließen ist.
    «Gut», sage ich, hänge mir meine Schultasche über die Schulter und ziehe meinen Trolley hinter mir her. «Wenn ihr mich hier nicht allein lassen wollt, dann gehe ich eben!»
    «Luisa! Das kommt überhaupt nicht in Frage! Wo willst du denn hin?» Mein Vater versucht, mich festzuhalten, doch ich schüttle seinen Griff ab, schlucke das Wolfsknurren, bevor es aus meiner Kehle kommt, greife meine Jacke von der Garderobe und verlasse türenknallend die Wohnung.
    Ja, wohin will ich jetzt? Draußen auf der Straße schlägt mir die Winterkälte ins Gesicht, und ich komme langsam wieder zu mir. Wohin soll ich jetzt? Sonntagvormittag, und die Straße ist leer. Das ist typisch für mich: erst

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