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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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kräftigen Ruck auf den Rücken.
    Der Mann ist wirklich tot. Aber er ist nicht erfroren.
    In seinem Hals klafft ein riesiges, blutiges Loch.
    Ich weiche zurück, richte mich auf, stehe da und erinnere mich mühsam, wie man atmet. Ich kann nicht wegsehen. Es fühlt sich an, als sei mein Blick auf diesem Körper festgetackert. Dabei interessiert es mich gar nicht, ob das Gelblich-Weiße da in seiner Halswunde die Luftröhre ist. Oder warum aus seinem Oberschenkel, zusammen mit dem Stoff seiner Hose, Fleisch herausgerissen wurde.
    Ich kann nicht wegsehen von der Narbe in seinem schmutzverschmierten, graublassen Gesicht. So eine Narbe hatte mein Bruder auch. Und ich frage mich, ob dieser Junge hier, auch wenn er viel älter ist, mindestens sechzehn, siebzehn, auch irgendwo eine Schwester hat, die nach ihm sucht. Wer sitzt jetzt zu Hause und wird verrückt vor Sorge, weil er nicht nach Hause kommt? Nicht ans Handy geht? Nie mehr.
    Schließlich ist es Thursen, der den Bann bricht und mich wegzieht von dem geschundenen Leichnam.
    Ich werde nicht ohnmächtig. Fast bin ich enttäuscht, dass ich mich nicht wenigstens übergeben muss, es wäre so viel einfacher, würde mein Körper das Sagen übernehmen. Doch mein Kopf bleibt klar, und das Entsetzen bleibt.
    Und die Frage.
    «Waren das Werwölfe?»
    Thursen sieht mich prüfend an, als wollte er wissen, ob ich die Wahrheit ertrage. «Ja, sieht so aus», sagt er dann.
    Ich zittere. Kälte. Schreck. Müde. Alles.
    Thursen hat auf den ersten Blick gesehen, was den jungen Mann getötet hat. Darum wollte er, dass ich gehe.
    «Es gibt nicht noch mehr Werwölfe als dein früheres Rudel?»
    Er schüttelt den Kopf. «Das weißt du doch.»
    «Warum, Thursen? Warum töten sie auf einmal irgendwelche Menschen?»
    «Wie soll ich das wissen?»
    «Wir müssen etwas unternehmen!»
    «Und was? Die Polizei rufen, Werwolfgeschichten erzählen und uns auslachen lassen? Wem hilft das?»
    «Mein Gott, wenigstens die Polizei rufen, damit der Tote begraben werden kann! Damit seine Familie und seine Freunde Abschied nehmen und um ihn trauern können!» Ich zittere so, dass ich kaum mehr verständlich sprechen kann.
    «Geh nach Hause, Luisa. Ich sorge dafür, dass die Polizei ihn findet, das verspreche ich dir.»
    Ich nicke.
    Er sucht nach seinem Handy. Zögert. «Tut mir leid, dass es nichts wird mit unserer Nacht», sagt er leise.
    «Das ist doch jetzt egal. Das hier ist wichtiger.» Dann drehe ich mich um und mache mich auf den Heimweg in mein neues Jahr.
    Nein, Thursen ist kein Wolf mehr, aber da sind immer noch genug Werwölfe in Norrocks Rudel. Werwölfe, die offenbar gefährlicher und unberechenbarer sind, als ich es mir je vorstellen konnte. Ich war so oft mit ihnen zusammen, dass ich dachte, sie wären meine Freunde. Dabei sind sie eine dunkle, lauernde Gefahr, von der ich nicht weiß, wie man sie stoppen kann.
    «Lars Lund», höre ich Thursen hinter mir ins Handy sagen. «Ich habe im Tegeler Forst eine Leiche entdeckt.»
    Zurück. Seltsam leer folge ich dem Wanderweg mit frostkalten steifen Schritten. Finde endlos später meine Bahn und fahre nach Hause. Die Raketen, die immer noch in größeren Abständen den Himmel erleuchten, sind mir jetzt egal.
    Kein Thursen.
    Nur meine einsame Wohnung wartet auf mich.
    Es hallt, als die Wohnungstür hinter mir zufällt. Kein heftiges Knallen, das in der Luft hängt, von den kahlen Wänden abprallt und zurückgeworfen wird, dazu ist unsere Wohnung zu eng. Es ist mehr, als würde das Zufallen der Tür die Leere zum Zittern bringen. Meine Mutter ist, tapfer Normalität heuchelnd, zu einer Party gegangen. Niemand ist da außer mir. Mir ist so kalt, dass ich mich, auch hier im Wohnungsflur, noch immer fühle wie auf einem zugigen Bahnsteig, wenn der letzte Zug gerade abgefahren ist. Ich hauche mit hochgezogenen Schultern in meine Hände, reibe meine Fingerknöchel. Aber das reicht nicht, um die Kälte zu vertreiben. Im Bad lasse ich mir eine Wanne ein. Ich habe keine Ahnung, wie heiß das Wasser ist, das in die Wanne rauscht. Meine Hände sind viel zu kalt, um warm und heiß zu unterscheiden.
    Ich nehme die Flasche mit dem Badeschaum, schraube sie auf, kippe. Da schwappt wie ein böser Dämon der Geruch nach genau den Tannenästen, unter denen wir die Leiche gefunden haben, aus der Flasche. Entsetzt schraube ich sie zu und werfe sie in den Mülleimer, wo sie sich dreht und mit dem Fichtennadeletikett nach oben liegen bleibt. Trotz der Kälte reiße ich das

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