Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Wölfen.
«Geh schlafen, Luisa», sagt Thursen, hockt sich zu mir und streicht mir mit der Hand über die vom Feuer gerötete Wange. «Du bist müde.» Ich will widersprechen, doch ich kann nur mühsam ein Gähnen unterdrücken.
Gemeinsam gehen wir zum Höhleneingang. «Du zuerst oder ich?», frage ich Thursen.
Doch er schüttelt den Kopf. «Ich komme später.» Mit einem Kopfnicken weist er zu der Wolfsgruppe. «Norrock will noch was mit uns besprechen.»
«Schon wieder?»
Er zuckt nur mit den Schultern und küsst mich.
Zitternd krieche ich in der Höhle in den Schlafsack. Ziehe den Reißverschluss hoch bis zum Kinn, während ich draußen die Wölfe leise knurren höre. Manchmal mischt sich auch eine menschliche Stimme unter die Wolfslaute, aber zu leise, als dass ich hören könnte, was sie sagen.
Jetzt liege ich also in dieser Höhle, weil ich nur hier bei Thursen sein kann. Ist das der Ort, an den ich gehöre?
Und da draußen reden die Werwölfe wahrscheinlich wieder über Nicks Bande und ihre Feinde, die Shinanim.
Ich habe genug von alldem. Müde von der letzten halbdurchwachten Nacht, schlafe ich ein und wache erst wieder auf, als jemand leise zu mir in die Höhle kriecht. Thursen. Endlich. Der erste Schlaf hat meine schlimmste Müdigkeit vertrieben. Ich drehe mich zu ihm und lächle ins Dunkel. Leise, um mich nicht zu wecken, kriecht er in seinen Schlafsack.
«Was habt ihr besprochen?», frage ich und taste nach ihm. Sein Schlafsack ist weich und eisig kalt.
«Du bist wach?»
«Gerade aufgewacht. Ich wollte dich nicht verpassen.»
Das Laub unter ihm knistert, als er ganz nah an mich heranrückt. Dann schiebt er seine Hand in meinen Nacken und vergräbt sie in meinem Haar.
«Was wollte Norrock von euch?»
«Strategie. Wir locken die Schlägerbande in einen Hinterhalt. Dann schnappen wir sie uns. Norrock hofft, dass wir diesmal schneller sind als die Shinanim.»
«Damit niemand entkommen kann.»
«Wir müssen Nick diesmal erwischen. Noch mal können wir nicht mitten in der Stadt angreifen, ohne dass die Menschen misstrauisch werden. Die Geschichte von den streunenden Hunden glauben sie nicht ewig.»
«Und du musst wieder töten?» Thursen antwortet nicht. Der Griff in mein Haar wird so fest, dass es wehtut. Ich lege ihm meine Hand auf die Brust und erfühle sein Atmen. «Ich dachte, das ist alles streng geheim.»
«Ich habe dir nicht gesagt, wo wir zuschlagen werden.»
Vertraut er mir noch immer nicht? Denkt er wirklich, ich gehe zu Elias und erzähle ihm alles? Gemeinsam liegen wir da und lauschen auf die Nachtgeräusche. Seine Hand lässt mein Haar los. Er dreht sich zu mir und beginnt, sanfte Muster auf meine Stirn zu zeichnen.
«Elias scheint dich noch mehr zu hassen als die anderen Werwölfe», sage ich nach einer Weile.
«Ja», antwortet Thursen. «Er hat auch Grund dazu.» Ich höre ihn tief atmen. «Luisa, ich habe damals keinen Menschen, ich habe einen von ihnen getötet.»
«Einen von Elias’ Orden?»
«Ganz am Anfang meiner Werwolfszeit. Ein junger Shinan fand unser Lager, und es kam zum Kampf.» Thursen zieht seine Hand weg und fährt sich über das Gesicht, wie so oft, wenn er seine Gedanken ordnen will. «Er überschätzte seine Kraft und ich meine Geduld.»
«Warum ist er in euer Lager gekommen?»
«Keine Ahnung. Er schien sich etwas beweisen zu wollen, ein junger Ritter, der auszieht, um einen Drachen zu töten.»
«Ihr seid doch kein Drachen!»
«Vielleicht sehen die Shinanim uns so.»
«Und da hast du ihn getötet, bevor er euch tötet?»
«Nein, der neue Leitwolf hat die Herausforderung angenommen und sich ihm zum Zweikampf gestellt. Der neue Leitwolf, das war ich. Und ich habe gewonnen.»
«Siehst du, es gab einen Grund!»
«Gibt es einen Grund dafür, jemanden zu töten? Ich war nicht in Lebensgefahr, Luisa, er war erst ein Novize! Er hatte keine Ahnung, wie er seine Kräfte einsetzen sollte.»
«Thursen, er hat dich provoziert, und du warst Wolf.» Werwölfe denken und fühlen anders, wilder, wütender, das habe ich am eigenen Leib erfahren.
«Dass ich Wolf war, macht ihn nicht wieder lebendig!» Er wartet einen Moment. Und als ich nicht antworte, sagt er: «Siehst du, darauf hast du nichts zu sagen.»
«Ich dachte, die Geschichte geht noch weiter.»
«Tut sie auch. Die vom Engelsorden haben nach ein paar Tagen unser Lager gefunden und wollten Rache nehmen. Diesmal kämpften wir alle.»
«Noch mehr Tote?»
«Nein, die Engel sind geflohen, als sie
Weitere Kostenlose Bücher