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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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will ich wissen, wieso verdammt du hier bist.»
    «Hätte ich in deinem leeren Haus darauf warten sollen, dass du zurückkommst? Irgendwann mal?»
    Er geht voraus, an den Planenzelten vorbei, an Höhleneingängen. Da liegen Feuerholzstapel. Ein riesiges totes Wildschwein und ein totes Reh hängen kopfüber an einem Baum. Ich folge Thursen aus dem Lager hinaus und in den Wald. Mühelos bahnt er sich seinen Weg, als sei er wieder einer der Wölfe. Ich komme nicht so leicht vorwärts. Und ich will endlich Antworten. «Also. Ihr jagt Menschen. Stimmt das, oder lügt Elias?»
    Thursen bleibt stehen und dreht sich zu mir um. «Ja, es stimmt.»
    Seine braunen Augen sind hart und kalt wie geschliffene Steine.
    «Du hast mir versprochen, dass niemand mehr getötet wird! Warum, Thursen, ich will wissen, warum?»
    Keine Entschuldigung. Keine zerknirschte Reue. Noch immer steht er da, aufrecht. Nimmt meine Wut und Verzweiflung einfach hin. «Wegen Sjöll.»
    «Sjöll ist tot! Meinst du, ihr hätte gefallen, dass ihr jetzt Menschen jagt? Ich kannte sie auch, vergiss das nicht!» Ich denke an die postkartengroßen Zeichnungen, die sie angefertigt hat und die das Einzige sind, das noch von ihr übrig ist. Ein paar Bleistiftskizzen, aber das meiste waren bunte Bilder heiler Welt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es gemocht hätte, wenn wegen ihr Menschen sterben.
    «Du dachtest, du kennst sie. Aber in Wirklichkeit wusstest du nichts. Also, hör mir endlich zu.» Thursen greift nach meiner Hand. Diesmal zögert er nicht. Doch ich will mich nicht von ihm anfassen lassen. Er geht weiter, und ich laufe ihm nach, bis ich gleichauf bin.
    «Natürlich kannte ich Sjöll! Sie kam aus Bremen. Sie ist weggelaufen von zu Hause, nach Berlin gekommen und hat euch getroffen. Dann ist sie ein Werwolf geworden und hat mit dem Rudel gelebt, bis dieser Jäger sie in ihrer Wolfsform abgeknallt hat.» Es war schon so weit weg. Und jetzt, wo ich mich wieder an ihren Tod, diesen sinnlosen Tod erinnere, flammt der schlafende Schmerz wieder auf, als hätte man den Verband von einer Wunde gerissen. «Ihr habt sie damals auf dem Friedhof der Namenlosen begraben.»
    «Es gibt so viel, was du nicht weißt. Bevor Sjöll uns getroffen hat, lebte sie auf der Straße. Allein in einer fremden Stadt. Ohne Geld, ohne einen Ort zum Schlafen.» Ich muss schlucken, Sjöll hat mir nie von ihrem Leben vor den Wölfen erzählt. Vielleicht hat Thursen recht, und ich kannte sie wirklich nicht richtig.
    Er bückt sich im Gehen und hebt eine Eichel auf, dreht sie zwischen den Fingern hin und her, seinen Blick darauf geheftet. «Sie ist überfallen worden von einer Bande betrunkener Jungs. Die haben sich einen Spaß daraus gemacht, sie zusammenzuschlagen, zu quälen, und sie dabei gefilmt. Dann haben sie sie einfach liegenlassen, blutend, im Dreck.»
    Ich weiche im letzten Moment einem Baumstumpf aus, über den ich fast gestolpert wäre. «Darüber hat sie nie geredet.»
    «Nein. Ich weiß es auch erst seit kurzem, von Norrock. Er war der Einzige, dem sie das erzählt hat. Du weißt doch, wie streng Sjöll mit diesem ‹Niemand redet über seine Probleme› war. Sie wollte einfach nur vergessen.»
    «Und was hat Sjöll mit den Typen im Tierpark zu tun?»
    «Kannst du dir das nicht denken?»
    Langsam fügen sich die Puzzlestücke in meinem Kopf zusammen. «Ihr habt also nicht irgendwelche Jungs gejagt, sondern die, die Sjöll gequält haben?»
    «Ja.»
    «Und woher seid ihr euch so sicher, dass sie es waren, die Sjöll überfallen haben?»
    «Sjöll hat Norrock von einem Typen erzählt, der Nick heißt. Das war der Anführer.»
    «Nick ist ein ziemlich häufiger Name.»
    «Immer wieder tauchten Videoclips im Internet auf mit blutverschmierten, heulenden, halbnackten Mädchen. Verstehst du? Sjöll war nicht ihr einziges Opfer. Die Jungs haben weitergemacht.»
    «Und von diesen Clips wisst ihr, wie Nick aussieht?»
    Thursen schüttelt den Kopf. «Auf den Videos sind nur die Opfer zu sehen. Aber Norrock hat jemanden gefunden, der es ihm sagen kann.»
    «Wen?»
    «Haddrice. Sie war auch eins der Opfer, genau wie Sjöll.»
    Haddrice? Die angsteinflößende Haddrice ein Opfer? «Aber wie kann sie Norrock denn helfen? Sie ist jetzt ein Werwolf, und Werwölfe vergessen. Alles.»
    «Haddrice ist nicht wie wir. Sie will Rache. Sie hat sich nur verwandelt, damit sie stark genug dafür ist. Aber vorher hat sie alles aufgeschrieben.»
    «Sie hat das aufgeschrieben?»
    «Ja. Jede

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