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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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deinen richtigen Namen!»
    «Ich hasse dich, Haddrice, und dich auch, Norrock!», schreit Janok. «Euch alle hier!» Sein Gesicht ist wutverzerrt, aber man hört die Verzweiflung in seiner Stimme.
    «Lasst uns um Krestor trauern, wie er es verdient», sagt Norrock. Er greift Krestors schlaffen Körper von hinten unter den Armen und zieht ihn in die Mitte des Lagers. «Kümmere dich um das Feuer, Luisa!», sagt Norrock. Nickt zu meiner Fackel. «Und sieh zu, dass es richtig brennt! Leg Holz nach!»
    «Wozu brauchen wir jetzt Feuer?», fragt Haddrice.
    «Ich entscheide, wie um ein Rudelmitglied getrauert wird, Haddrice! Ich will ein großes, helles Feuer! So, wie wir damals um Sjöll getrauert haben.»
    Haben wir nicht. Bei Sjöll hatten wir überhaupt kein Feuer, ich war dabei. Aber ich habe verstanden, was Norrock mir sagen wollte: Ich muss nicht mit im Kreis sitzen. Muss mich nicht verwandeln, wenn ich nicht will.
    «Wir brauchen alle Kraft des Rudels! Jeden Einzelnen!», sagt Haddrice.
    Norrock ignoriert sie und baut sich breitbeinig neben Krestor auf wie ein heidnischer Priester. «Kommt alle her!», sagt er, braucht kein langes, geschmücktes Gewand zu tragen, für das, was er vorhat. «Lasst einen der Unseren hinüber gehen in das andere Reich.» Und einmal wieder frage ich mich, wie er das macht. Wie er es schafft, dass auf einmal der Wald still wird, dass seine Stimme, seine Worte zurückgeworfen werden von jedem Zweig, jedem toten Blatt, dass sie von ringsumher aus dem Dunkeln zu kommen scheinen.
    Und als Janok ihn noch immer nur anstarrt, ohne sich zu bewegen, weiß ich, dass es ihm ebenso geht. Dass er genauso gebannt ist von den Worten wie ich.
    Da tritt Norrock zwei Schritte zurück, verwandelt sich in den riesigen schwarzen Wolf, wirft den Kopf zurück und heult. Heisere, tiefe Leitwolftöne, die sich mit der Nacht verweben. Töne, die die anderen heranlocken, mitziehen und fesseln.
    Ich versuche, mich taub zu stellen, obwohl ich Norrocks Wolfsstimme in meinem ganzen Körper spüre. Stoße meine brennende Fackel in die Feuerschale, lege Holz nach. Alle Menschen und Wölfe versammeln sich, nehmen einer nach dem anderen ihren Platz ein, setzen sich im Kreis um Krestor.
    Selbst Rieke kommt aus ihrem Zelt, zieht sich die Kopfhörer aus den Ohren und schaut verwirrt in die Runde. Spricht nicht. Ahnt wohl, dass die Zeremonie im Kreis nichts für Menschen ist, und stellt sich zu mir ans Feuer.
    Norrock heult noch einmal, ruft seine Wölfe, übertönt das Knistern und Knacken der Flammen. Heult und ruft diesmal auch mich. Ich spüre es ganz deutlich.
    Ich habe um Sjöll getrauert, habe neben Thursen im Kreis gesessen, meinen Schmerz in den Nachthimmel geschickt und bin Mensch geblieben. So will ich heute gemeinsam mit den anderen auch von Krestor Abschied nehmen. Entschlossen ramme ich die Eisenstange, die als Feuerhaken dient, in den Boden und dränge mich zwischen Haddrice und Thursen in den Kreis.
    «Was soll das?», fragt Thursen flüsternd.
    «Bei Sjöll war ich auch dabei, und du hast es zugelassen!»
    «Pass auf dich auf, hörst du!» Er drückt meine Schulter. «Versprich es mir!»
    Ich nicke. Meine Trauer um Sjöll war viel größer. Mit Krestor konnte ich ja nie sprechen, wie sollten wir da Freunde werden?
    Norrock heult sein Klagelied. Janok verwandelt sich. Roff, Irudit. Einer nach dem anderen fallen sie in das Heulen ein. Lurnak als Erster. Norrocks Stimme bleibt die lauteste, zerrt an mir. Diesmal ist es viel schlimmer als damals bei Sjöll. Ist es, weil ich mich dies eine Mal verwandelt habe? Verflucht, es ist so unendlich schwer, seinem Ruf zu widerstehen! Mein ganzer Körper schmerzt, während ich darum kämpfe, Mensch zu bleiben. Langsam ahne ich, was Thursen Tag für Tag für mich auf sich genommen hat. Thursen, der jetzt nach seiner Rückverwandlung als Einziger im Kreis nicht mehr zum Wolf werden kann. Thursen, der mich, wenn das hier vorbei ist, wegschicken wird. Und überall in der Luft ist dieses Heulen, es zieht so schmerzhaft an mir. Für einen winzigen Moment rutscht mir die Konzentration weg, und mit einem schnappenden Atemzug hüllt mich das Fell ein. Die Krallen an meinen Pfoten graben sich in den Waldboden.
    Thursen unterbricht den Kreis sofort. Packt mich im Fell und schüttelt mich. «Luisa!», ruft er. Starrt mir in die Augen. Hat mich noch gepackt, als mein Fell wieder Jacke ist und ich Mensch.
    «Tut mir leid», stammele ich und taumele weg vom Kreis zurück ans Feuer. Rieke

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