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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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läuft, höre ich, wie Jordan ihm leise etwas mitteilt. Vittorio beugt sich zu ihm, lauscht, nickt und fragt dann nicht mehr ganz so leise: «Was bedeutet das, sie sind weg?»

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    20. Luisa
    HADDRICE ist tapfer. Nach kurzer Zeit als Wolf kommt sie zurück in die Menschengestalt, reibt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schultern.
    Sie sieht mich an, wie ich mit der Holzstange inmitten herabgerissener Bilder stehe.
    «Was jetzt?», fragt sie und tritt so fest gegen eines der Bilder, dass der Rahmen ächzt. «Kämpfen wir?»
    «Kannst du mir helfen? Da oben ist noch ein Engel übrig.» Wenn ich auf das Sünderkreuz klettere, das genau unter dem Oberlicht steht, müsste ich ihn erreichen.
    Haddrice verschränkt ihre Hände zur Räuberleiter, und ich setze meinen Fuß hinein. Sie beißt die Zähne zusammen, als ich mich abstoße und auf die Kreuzarme steige. Dort stehe ich, schwankend um Gleichgewicht bemüht, Haddrice hält meine Beine.
    «Na los», sagt sie, ich hole aus und stoße die silberbeschlagene Stange dem lächelnden Engel genau ins Herz. Der Engel fällt. Ich schütze mein Gesicht mit den Armen. Zersplittert regnet der blaue Glashimmel auf uns herab. Ein gezacktes Loch gibt den Blick frei auf einen weniger milden Himmel, den echten, klirrkalten Winterhimmel, blass und fahlgrau. Die kalte Winterluft fällt auf mich herab. Ich schaudere, als mich die plötzliche Kälte umfängt. Ein paarmal noch steche ich zu, mit vor Kälte zusammengebissenen Zähnen.
    «Komm runter. Das war der Letzte von diesen verfluchten Engeln», sagt Haddrice.
    Ich schüttle die Splitter der Wolken und des falschen Himmels aus meinem Haar. «Ich will nicht runter, ich will rauf.» Dann beuge ich mich herab zu einer der Ketten, die noch über dem Arm des Kreuzes hängen. Ich schleudere die Fessel hinauf an den Rand des Fensters und lasse sie sich um die dicke Schraube wickeln, die den Rahmen des Oberlichts in der Fensteröffnung hält. Mit beiden Händen hänge ich mich an die Kette, um zu prüfen, ob sie fest sitzt. Sie hält. Da ist er, unser Weg nach draußen.
    «Da rauf?», fragt Haddrice, den Kopf in den Nacken gelegt. Der Raum ist fast so hoch wie eine Turnhalle. Über dem Kreuz sind noch mal mindestens vier Meter. «Du bist nicht fit genug, um zu klettern.»
    Und sie auch nicht. Sie schon gar nicht. «Es muss gehen.» Ich klettere Stück für Stück an der Kette hinauf, beiße mir auf die Lippen, dass es blutet, denn meine Rippen schmerzen höllisch bei jeder Bewegung. Das kalte Metall der Kette drückt sich kantig in meine Hände. Ich drehe mich um mich selbst, schwinge hin und her, doch ich komme mit jedem Zug weiter nach oben, und die Kette hält. Unten hängt Haddrice sich in die Kette und versucht, sie stramm zu halten, damit ich nicht gegen die letzten Glassplitter im Rahmen pendele.
    «Beeil dich!», flüstert sie.
    «Hörst du sie?» Ich bin am Fenster angekommen und erstarre.
    «Noch nicht!»
    «Gut!» Ich bin hoch genug, um die größten und schärfsten der Splitter aus dem Rahmen zu ziehen. Möglichst weit weg von Haddrice lasse ich sie auf den Boden fallen, wo sie klirrend zerschellen. Als die Öffnung groß und sicher genug ist, ziehe ich mich hindurch nach draußen auf das Dach. Bis auf einen Schnitt an der Hand und einen Riss in der Jacke bin ich unversehrt.
    Wie soll Haddrice klettern, mit den Armen, die eben noch gebrochen waren? Ich beuge mich vor über den Rand, um mit Haddrice zu sprechen und fahre entsetzt zurück. So hoch ist es? Ich schließe einen Moment die Augen und versuche, nicht an den Abgrund unter mir zu denken.
    «Du kannst mit deinen Armen nicht klettern», sage ich zu Haddrice, «dann stürzt du ab. Bleib dort und warte. Ich suche die anderen Werwölfe, sage ihnen, wo du bist, und wir holen dich raus.»
    «Wenn du denkst, ich bleibe hier und lass mich noch mal ans Kreuz fesseln, dann bist du vollkommen durchgeknallt.» Das leise Klirren der Kette sagt mir, dass Haddrice tatsächlich heraufkommt.
    «Es ist zu hoch!»
    «So, meinst du, Shorou?» Ihr Kopf schiebt sich durch die Öffnung. Mein Gott, ist sie blass.
    Ich greife nach ihren Schultern und will sie nach oben ziehen. «Au!», knurrt sie. Schnell lasse ich los. Dann ist auch sie oben auf dem Dach. Sie zittert noch stärker als ich. Sie muss große Schmerzen haben, und wahrscheinlich friert sie auch. Wenn sie auch das meiste Wasser, mit dem Elias sie begossen hat, abgeschüttelt hat, sind ihre Haare doch noch

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