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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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berühre Haddrice, und sie hebt mühsam den Kopf. «Shorou? Pass auf, dass sie dich nicht kriegen.»
    Sie haben mich längst. «Trink, Haddrice», sage ich, setze ihr das Glas an die Lippen und versuche, dass sie nicht zu viel verschüttet. Über die Schulter sage ich. «Mach sie los, Elias!» Und als er sich nicht rührt: «Worauf wartest du? Siehst du nicht, dass sie total fertig ist?»
    «Ich kann sie nicht befreien», sagt er. Hält immer noch den Wasserkrug.
    «Klar kannst du das!»
    «Sie ist ein gefährlicher, unberechenbarer Werwolf! Sie hat Menschen angefallen und versucht, sie zu töten! Ich wette, sie bereut es nicht mal.»
    «Ja, du Engel!», knurrt Haddrice heiser. «Erinnerst du dich an unseren Kampf? Lass mich frei, und ich bringe es zu Ende!»
    «Siehst du? Die silbernen Ketten am Kreuz helfen ihr, Mensch zu bleiben. Wenn sie wieder klar denken kann, dann lösen wir die Fesseln.»
    «Wenn ich klar denken kann?» Haddrices Mund verzieht sich, als sich die Wolfszähne über die Lippen schieben. Ihre Stimme wird dunkel. «Oder wenn dein Bruder Nick weit genug weg ist, sodass wir ihn nicht mehr erwischen?»
    «Das reicht!» Elias schüttet den Krug mit dem Himmelswasser mit Schwung über Haddrice. Seine hell auflodernden Augen blenden mich so, dass ich schnell den Blick abwende.
    «Elias!», höre ich eine Männerstimme vom Guckfenster. «Elias, dein Mut ist wirklich beeindruckend. Aber wir reden! Jetzt!»
    Elias eilt zur Tür, stellt den leeren Krug auf das Tischchen und ist draußen, ehe ich ihn aufhalten kann.
    «Elias!», rufe ich, zerschmettere das Glas auf dem Boden und höre, wie er den Schlüssel im Schloss dreht. Ich renne zur Tür. «Lass uns raus, Elias!», rufe ich durch das Guckfenster.
    Einmal noch sehe ich in seine brennenden Augen, dann ist auch das Guckfenster zu. Ich lasse mich an der Tür herabrutschen, sinke auf dem Boden zusammen.
    Elias hat mir eine Falle gestellt, und ich bin hineingetappt. Alles umsonst. Jetzt weiß ich zwar, wo Haddrice ist, und in meinem Kopf brennen Erinnerungen, gute, und auch welche, die ich nie wieder haben wollte. Aber wir sind wieder gefangen. Verdammt!
    «Steh auf und mach mich endlich von diesem verdammten Ding los, Shorou!», brüllt Haddrice. Das Wasser tropft aus ihren Haaren. Sie zittert am ganzen Körper, Fell wandert ihre Arme hinauf und verschwindet mit dem nächsten Atemzug wieder. Ihre Zähne sind zusammengebissen, die Hände um die silberbeschlagenen Enden des Kreuzes gekrallt. Sie keucht, und im nächsten Moment knurrt sie. Mit allem, was sie hat, kämpft sie gegen die Verwandlung.
    Ich nicke, stemme mich auf die Beine und trampele ungeschickt durch die Wasserpfütze zu ihren Füßen. Ich breche mir die Fingernägel ab beim Versuch, die Ketten zu lösen. Die Enden sind mit den letzten Kettengliedern an einer Art Bolzen, der im Holz steckt, eingehakt. Haddrice zischt leise, als ich an der Kette zerre, um mehr Spielraum zu bekommen, und so ihren Arm quetsche.
    «Die sind doch alle nicht ganz klar im Kopf. Wieso soll Silber und dieses verdammte Holzgestell helfen, sich nicht zu verwandeln?» Endlich klappt es, und ich kann das Kettenglied am linken Handgelenk ablösen. Ich wickele die Kette klirrend von Holz und Arm ab. Haddrice jault auf, als ich versehentlich ihre Schulter berühre.
    «Das Silber ist es nicht. Sie fesseln unsere Arme zur Seite. Ganz weit auseinander, Shorou.»
    «O Scheiße.» Ich ahne, was sie sagen will.
    «Genau. Menschenarme kann man gerade zur Seite binden, aber keine Wolfsvorderbeine. Wenn du beginnst, dich zu verwandeln, brechen dir die Arme aus der Schulter!»
    «Brechen?» Ich bin an der anderen Seite. Diesmal bin ich vorsichtiger, obwohl die Kette hier noch strammer sitzt. «Ich habe dich schreien gehört.»
    «Es heilt schnell. Beeil dich, Shorou, verdammt!»
    Endlich gelingt es mir, auch Haddrices anderen Arm von den Ketten zu lösen. Vornüber fällt sie in sich zusammen und wird Wolf, ehe ihre Vorderbeine den Boden berühren. Zusammengekauert liegt sie in der Wasserlache und japst mit offenem Maul.
    Die Shinanim wollten Haddrice also helfen, Mensch zu bleiben. Dazu haben sie zugelassen, dass Haddrice sich die Arme brach, und zwar nicht nur ein Mal! Das ist es, was sie helfen nennen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sehr Haddrice gelitten haben muss. Und das Gleiche hatte Elias tatsächlich auch mit mir vor! Ich muss mich am Kreuz festhalten. Wenn er mich so gebunden hätte, wie lange hätte ich durchgehalten,

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