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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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mit den Händen an die Wand mit den Fotos.
    Lena knöpfte sich das Hemd zu und beobachtete im Au‐
    genwinkel, wie Smith Molly durchsuchte, ohne sich an ihr
    zu vergreifen. Lena ging von den Fotos weg und setzte sich
    auf den Boden, um sich die Schuhe auszuziehen. Sie hatte das Messer schließlich mit Klebeband unter dem Knöchel
    festgeklebt und den Strumpf darüber gezogen. Ihre Sehne
    pochte, und Lena versuchte, sich die Nervosität nicht an‐
    merken zu lassen, als sie Smith ihre Schuhe zeigte. Als er Lena abgetastet hatte, hatten die Hightops ihre Knöchel
    bedeckt. Solange er sie jetzt nicht noch einmal abtastete oder sie dazu zwang, die Strümpfe auszuziehen, wäre alles
    gut.
    Smith drehte die Schuhe um, sah sich die Sohlen an und

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    spähte hinein. Das Gleiche tat er mit Mollys Schuhen,
    dann ließ er sie auf den Boden fallen. Als Molly ihre
    Schuhe wieder anziehen wollte, hielt er sie davon ab.
    Er durchsuchte die Kartons nach Schmuggelware und
    sagte: «Bringt die Kisten nach hinten.»
    Lena bückte sich nach dem Karton und knöpfte sich
    dabei die Bluse zu. Sie wartete, bis sich Molly die Kiste mit dem Wasser aufgeladen hatte, dann drückte sie die
    Schwingtür zum Mannschaftsraum auf. Lena hatte es ge‐
    schafft, die Turnschuhe wieder anzuziehen, nur zugebun‐
    den hatte sie sie nicht. Sie schwitzte an den Füßen, doch noch hielt das Klebeband. Wie konnte sie das Messer un-bemerkt jemanden zustecken? Wo konnte sie es so depo‐
    nieren, damit es jemand etwas nutzte?
    Doch fürs Erste musste sie sich auf die Dinge konzen‐
    trieren, auf die sie Einfluss hatte. In der ganzen Wache herrschte Chaos, doch Lena stellte erleichtert fest, dass die
    Karte, die Frank und Pat gezeichnet hatten, im Großen und
    Ganzen stimmte. Die Luftschächte waren mit Kleidungs‐
    stücken verstopft, und die Aktenschränke und Schreib‐
    tische waren vor die Türen geschoben worden. Brad stand
    in Boxershorts und einem weißen Unterhemd in der Mitte
    des Raums, seine haarlosen weißen Beine steckten wie
    Streichhölzer in den schwarzen Socken und Polizeischu‐
    hen. Neben ihm auf dem Boden saß Maria mit den drei
    Mädchen, die sich wie Küken unter ihre Fittiche drängten.
    Weiter hinten saß Sara mit dem Rücken an der Wand. Ein
    Mann lag mit dem Kopf in ihrem Schoß, seine Schuhsoh‐
    len zeigten in Lenas Richtung. Lena stolperte und ließ den Karton fallen. Der Mann war Jeffrey.
    «Ich helfe Ihnen.» Brad hob die Sandwiches auf und
    legte sie in den Karton zurück. Er riss die Augen weit auf 280
    und sagte mit übertriebener Betonung: «Matt ist an der
    Schulter getroffen worden.»
    «Was?»
    «Matt», sagte Brad und nickte in Jeffreys Richtung. «Es
    hat ihn an der Schulter erwischt.»
    Ihre Lippen bewegten sich, sie sagte: «Ah», doch ihr
    Hirn ratterte fast hörbar, bis sie verstand.
    Sara flüsterte heiser, voller Sorge: «Er verliert immer
    wieder das Bewusstsein. Ich weiß nicht, wie lange er noch durchhält.»
    Molly fragte: «Können wir irgendwas tun?»
    Sara konnte kaum sprechen. Sie räusperte sich, dann
    sagte sie: «Sie könnten ihn hier rausbringen.»
    «Nichts da», mischte sich Smith ein. Er durchwühlte die
    Sandwiches und las die Etiketten. «Was für eine Scheiße,
    Mann.» Lena hatte das Gefühl, er tat sich extra dicke, und das vermutlich ihretwegen. Sie wurde immer mehr zu der
    Art Frau, die sie als Polizistin so verachtete. Frauen, die die
    Polizei riefen, weil ihr Freund ausflippte, und dann flehten und bettelten, damit das Schwein nicht in den Knast kam.
    Es war etwas an ihnen, an ihrem Verhalten, ihrer Haltung, als warteten sie nur auf die nächste Tracht Prügel. Als son-derten sie einen Duftstoff ab, der die Sorte Männer anzog,
    die Frauen schlugen.
    Sara sagte: «Er braucht medizinische Versorgung.»
    Molly nahm das Stethoskop und ging nach hinten.
    Smith rief: «Wo willst du hin?»
    «Ich wollte nur –»
    «Meinetwegen.» Smith trat mit einer leichten Verbeu‐
    gung zur Seite. Sein Blick traf Lena, und er zwinkerte ihr zu.
    Lena wusste, was von ihr erwartet wurde, und ohne
    weiter nachzudenken, sagte sie: «Danke.»

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    Dann begann sie die Sandwiches auszupacken. Sie ver‐
    teilte sie an die Kinder und fragte jedes einzelne, ob es ihm
    gut ging. Immer noch hatte sie das seltsame Gefühl, je‐
    mand anders stand hier unten und verteilte Sandwiches,
    während sie, Lena, an der Decke schwebte und alles nur
    beobachtete.
    Das Telefon klingelte unaufhörlich, und Smith

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