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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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drückte zugleich die Enttäuschung
    und die Missbilligung ihrer Mutter aus.
    «Wir hatten hier ein Problem», begann Sara, aber sie
    wusste nicht, was sie sagen sollte. Heute früh hatte sie ihrer Mutter von Robert und der Schießerei erzählt, doch sie
    hatte ihren Verdacht verschwiegen, wer wirklich den Fin‐
    ger am Abzug hatte. Jetzt merkte sie, dass sie es nicht mehr
    für sich behalten konnte, und so erzählte sie ihrer Mutter alles, angefangen bei den Schmauchspuren, über Reggies
    Warnungen, bis hin zu ihrer Beobachtung, dass Jeffrey am
    Fundort des Skeletts etwas hatte mitgehen lassen.
    «Ein Armband oder so was?», fragte Cathy.
    «Ich weiß es nicht», sagte Sara. «Es sah aus wie ein
    Goldkettchen.»

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    «Warum sollte er so etwas tun?»
    «Gute Frage», sagte Sara. «Ich habe mir die Knochen
    den ganzen Tag lang angesehen.»
    «Und?»
    «Die Knochennähte an ihrem Schädel sind noch nicht
    vollständig verwachsen.» Sara lehnte sich an den Tisch und
    betrachtete die junge Frau. Sie fragte sich, was ihr kurzes Leben so tragisch hatte enden lassen. «Außerdem sind die
    Wachstums fugen der langen Röhrenknochen noch nicht
    ganz geschlossen.»
    «Und das bedeutet?»
    «Sie war wahrscheinlich noch ein Teenager, höchstens
    Anfang zwanzig.»
    Cathy schwieg einen Moment, dann seufzte sie: «Die
    arme Mutter.»
    «Ich habe beim Sheriff nach vermissten Personen ge‐
    fragt.»
    «Und?»
    «Ich habe noch nichts von ihm gehört. Den ganzen Tag
    habe ich von überhaupt niemandem etwas gehört.» Sogar
    Deacon White hatte kaum ein Wort mit ihr gewechselt,
    seit sie mit dem Skelett gekommen war. Schließlich sagte
    Sara: «In einem so kleinen Ort kann ich mir kaum vorstellen, dass die Liste der vermissten Personen besonders lang
    ist.»
    «Glaubst du, es ist in letzter Zeit passiert?»
    «Nein, ich schätze, es ist zehn, vielleicht fünfzehn Jahre her», sagte Sara. «Ich habe fünf Stunden gebraucht, um
    die Knochen wieder zusammenzusetzen. Ich glaube, ich
    weiß, wie sie gestorben ist.»
    «Musste sie leiden?»
    «Nein», log Sara. Sie hoffte, sie klang überzeugend.

    289
    «Ich weiß nicht, was jetzt passiert. Ich weiß nicht einmal, ob wir morgen schon heimkommen können.»
    «Du bleibst also bei Jeffrey?»
    Sara biss sich auf die Unterlippe. Jetzt war sie schon
    so weit gegangen, da konnte sie auch gleich alles sagen.
    «Anscheinend will ich, je mehr Leute schlecht über ihn
    reden ...»
    «Dich um ihn kümmern?»
    «So würde ich es nicht unbedingt sagen.»
    «Ihn verteidigen?»
    «Mama ...», fing Sara an, doch sie brach ab. «Ich weiß
    es nicht», sagte sie dann, und es war die Wahrheit. «Es stört mich, dass ihr so gegen uns eingenommen seid.» Sie dachte an ihren Vater. «Es stört mich, dass Daddy ihn nicht
    leiden kann.»
    «Ich weiß noch», sagte Cathy, «als du vier oder fünf
    Jahre alt warst.»
    Sara presste die Lippen zusammen und wartete auf die
    Anekdote, die ihre Mutter zum Besten geben wollte.
    «Wir waren alle zusammen unten am Golf von Mexiko,
    und dein Vater ist mit dir angeln gegangen, um dem gan‐
    zen Trubel zu entfliehen. Weißt du noch?»
    «Nein», sagte Sara, auch wenn sie so viele Fotos von
    dem Urlaub gesehen hatte, dass sie dachte, sie müsste sich
    erinnern.
    «Ihr habt mit Gummiwürmern geangelt, aber dauernd
    haben Krebse an den Ködern gehangen, weil sie sie natür‐
    lich für echt hielten.» Sie lachte. «Ich weiß noch, wie dein Daddy getobt hat. Er hat die Krebse angebrüllt, dass sie los-lassen sollen, ihr verbeißt euch in billige Attrappen, hat er gerufen.» Sie wartete einen Moment ab, ob Sara verstand.
    «Er hat alles versucht. Er hat sogar mit dem Hammer nach 290
    den Viechern geschlagen. Schließlich hat er die Schnur ge-kappt, und hat den Krebsen ihren Willen gelassen.»
    Sara atmete langsam aus. «Bin ich der sture Krebs oder
    der billige Köder?»
    «Du bist unser Mädchen», sagte Cathy. «Und irgend‐
    wann kommt dein Vater zur Vernunft. Dann kappt er die
    Schnur und lässt dir deinen Willen.»
    «Und du?»
    Cathy lachte. «Ich bin der Hammer.»
    Sara konnte ein Lied davon singen. Doch sie sagte nur:
    «Ich höre auf mein Gefühl.»
    «Und was sagt dir dein Gefühl?»
    «Das ich ...» Sie wollte sagen, dass sie Jeffrey liebte, doch sie brachte es nicht über die Lippen.
    Cathy verstand auch so. «So viel also zum Herum‐
    vögeln.»
    Sara fand keine Worte, um zu erklären, was in der Höhle
    geschehen war, doch sie versuchte es. «Ich weiß nicht

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