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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ging
    hinüber, nahm den Hörer ab und knallte ihn zurück auf die
    Gabel.
    Eins der Mädchen erschrak und schrie: «Ich will zu mei‐
    nem Daddy.»
    Lena beruhigte das Kind. «Schon gut. Es dauert nicht
    mehr lang.»
    Das Mädchen brach in Tränen aus, und Lena gab ihm
    eine Flasche Wasser. Sie fühlte sich hilflos und wütend zugleich. «Nicht weinen», sagte sie fast flehentlich. Lena
    hatte nie besonders gut mit Kindern umgehen können.
    Doch jetzt versuchte sie es. «Alles wird gut.»
    Maria stöhnte leise und starrte Lena mit glasigem Biick
    an.
    Lena redete der alten Frau zu. «Wie geht es Ihnen?» Sie versuchte, sich wie ein Sanitäter zu verhalten, und legte die Hand auf Marias Schulter. «Ist alles in Ordnung?»
    Smith stellte sich zu Molly und Sara. Offensichtlich ge‐
    fiel ihm nicht, was er hörte, denn schließlich sagte er: «Das
    reicht. Jetzt haut ab. Und nehmt die Alte mit.»
    Molly sagte: «Er braucht Hilfe.»
    «Und was ist mit mir?» Smith zeigte auf seinen Arm,
    der mit einem Streifen Stoff verbunden worden war.
    Der ehemals weiße Stoff war fast ganz von Blut durch‐
    tränkt.
    Wieder begann das Telefon zu klingeln. Wagner war

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    wahrscheinlich ausgerastet, als Molly und Lena Matt raus‐
    getragen hatten.
    «Wir haben Medikamente im Wagen», sagte Molly.
    «Lassen Sie Matt gehen, und ich bleibe hier und kümmere
    mich um Sie.»
    «Wir haben hier wohl zwei Helden», sagte Smith zu
    seinem Partner, und Lena fiel auf, dass er auch sie meinte.
    Lena kniete bei Maria, und Smith stolzierte förmlich
    auf sie zu. Ohne ein Wort riss er eins der Mädchen am
    Handgelenk hoch und zerrte es mit nach vorne. Die Kleine schrie, doch er verdrehte ihr den Arm, bis sie still war.
    Dann nahm er das wimmernde Kind mit und redete mit
    seinem Partner. Immer noch auf Knien, drehte sich Lena
    um. Sie behielt die beiden Männer im Auge. Dann fasste
    sie sich langsam an den Knöchel und betastete das Ta‐
    schenmesser. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer, doch
    sie wagte nicht, sich umzudrehen. Brad stand rechts von
    ihr, er konnte es also nicht sein. Die Kinder waren viel zu verängstigt, um sich zu bewegen. Maria. Es musste Maria
    sein, die jetzt mit geschickten Fingern das Klebeband löste
    und das Taschenmesser an sich nahm.
    Smith sagte gerade: «Wir haben eine Ärztin und zwei
    Sanitäter. Warum nicht?»
    Sein Partner schüttelte genervt den Kopf, doch er schien
    sich mit allem abzufinden, was Smith vorhatte.
    Jetzt kam Smith wieder nach hinten zu Lena, das Mäd‐
    chen im Schlepptau. «Hol deine Tasche aus dem Kranken‐
    wagen.»
    «Was?» Lena verstand nicht.
    Er sah auf die Uhr. Er trug eine Armbanduhr, die Lena
    aus der Werbung kannte, angeblich benutzten die Navy‐
    SEAL‐Teams solche. Smith sagte: «Hol deine Tasche, und

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    komm wieder rein.» Dann drückte er dem kleinen Mäd‐
    chen die Sig an die Schläfe. «Du hast dreißig Sekunden.»
    «Ich kann nicht –»
    «Neunundzwanzig.»
    «Scheiße», fluchte Lena. Sie richtete sich auf und rannte auf die Tür zu, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Am
    Krankenwagen riss sie die Hecktür auf und suchte nach irgendwas, das wie ein Arztkoffer aussah.
    «Officer», rief ein Mann. Sie wusste, es war einer der
    Polizisten, die bei den Streifenwagen standen, doch Lena
    hatte keine Zeit zu antworten. «Officer?»
    «Alles in Ordnung!», rief sie, Panik schwang in ihrer
    Stimme mit. «Alles in Ordnung!» Sie entdeckte einen
    großen Plastikkoffer, der an der Wagenwand festgezurrt
    war. Das war der Koffer, den die Notärzte immer als Erstes zum Unfallort mitnahmen, wie Lena aus jahrelanger
    Berufserfahrung wusste. Sie fummelte an der Schnalle
    herum und murmelte: «Scheiße, Scheiße, Scheiße.» Sie
    wusste nicht, wie viel Sekunden schon vergangen waren.
    Der Streifenpolizist ließ nicht locker. «Brauchen Sie
    Hilfe?»
    «Lassen Sie mich! », schrie Lena und riss den Koffer auf.
    Ein Haufen Medikamente und Schachteln waren darin. Sie
    hoffte, es war alles, was sie brauchten. In letzter Minute griff sie nach einer zweiten Tasche und dem Defibrillator.
    Als sie durch die Eingangstür gerannt kam, fuhr Smiths
    Komplize zusammen. Er hatte die Waffe angelegt, doch
    er schoss nicht. Lena hastete nach hinten, wo Smith dem
    Mädchen immer noch die Waffe an den Kopf drückte.
    Grinsend sah er auf die Uhr, und plötzlich wallte eine rasende Wut in Lena auf. Sie ließ die Ausrüstung fallen und riss Smith das Mädchen aus den Armen.

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    Die Mündung

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