Schattenblume
schmutzig grauen
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Sportsocken, die einmal weiß gewesen waren. Molly zählte
bis drei, dann hoben sie die Leiche an. Ein Hosenbein
rutschte hoch und legte den Knöchel frei. Lena starrte auf die bleiche Haut, die Falten warf, als sich der Fuß in ihren Bauch drückte. Sie dachte an das Baby in ihr und fragte sich, ob es spürte, wie nah es dem Tod gerade war. Sie fragte sich, ob der Tod ansteckend war.
Ein Stück von der Eingangstür entfernt legten sie Matt
auf den Bürgersteig. Smith beobachtete jede ihrer Bewe‐
gungen. Er grinste zufrieden, und Lena musste gegen den
Drang ankämpfen wegzulaufen, als sie Molly in die Wache
zurück folgte. Erst als sie wieder drin waren, begriff sie, was gerade passiert war. Smith hatte Wasser und Lebensmittel. Er hätte ihnen einfach die Tür vor der Nase zu‐
schlagen können. Er hätte ihnen in den Kopf schießen
können oder sie zum Teufel jagen, doch er tat nichts dergleichen.
«Schon besser», sagte Smith. «Tolliver hat die Luft ver‐
pestet.»
Molly riss mit offenem Mund den Kopf herum.
«Was?», fragte Smith und hielt ihr die Sig an die
Schläfe. «Willst du was sagen, Schlampe? Hast du noch
was zu meckern?»
«Nein», mischte sich Lena ein. Sie war selbst über‐
rascht, dass sie die Sprache wieder gefunden hatte.
Smiths Grinsen hinter der Maske war grauenhaft. Lena
spürte, wie er den Blick über ihren Körper gleiten ließ und an ihren Brüsten hängen blieb. Dem Funkeln seiner Augen entnahm sie, dass ihm gefiel, was er sah. Noch einmal
drückte er die Mündung seiner Pistole an Mollys Schläfe,
dann wandte er sich an Lena. «Dachte ich mir.» Er bedeutete ihr, sich umzudrehen. «Hände an die Wand.»
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Das Telefon begann zu klingeln, sein Schrillen zer‐
schnitt die Stille wie mit einem Messer.
Smith wiederholte: «Dreh dich um.»
Lena legte die Hände zwischen zwei gerahmte Fotos
der Polizeitruppe von Grant County aus dem Jahr 1970. Es waren ausschließlich Männer in blauen Uniformen mit
zottigen Schnurrbärten. Nur Ben Walker, der Polizeichef,
fiel mit seinem militärischen Bürstenschnitt und dem glatt rasierten Gesicht aus dem Rahmen. Weiter unten hing ein
Foto, auf dem auch Lena zu sehen war. Sie hielt die Luft an
und betete, dass Smith es nicht entdeckte.
«Versteckst du was?» Smiths Hände klopften ihren Kör‐
per ab wie ein Presslufthammer. Er stieß sie gegen die
Wand und drückte sich an sie. «Versteckst du was?», wie‐
derholte er und knöpfte ihr mit einer Hand die Bluse auf.
Sie schwieg mit klopfendem Herzen. Sie versuchte, das
Foto einen halben Meter unter ihrem Gesicht nicht anzu‐
sehen. Damals war sie so jung gewesen, hatte voller Hoffnung in die Zukunft geblickt, auf das, was das Leben für sie
bereithielt. Seit sie denken konnte, wollte Lena zur Polizei,
wie ihr Vater. Der Tag, an dem das Foto aufgenommen
wurde, war der schönste Tag ihres Lebens gewesen, doch
jetzt brachte das Foto sie vielleicht ins Grab.
Smith ließ die Hand in ihr offenes Hemd gleiten und be‐l tatschte ihre Brust. «Hast du da was für mich versteckt?», fragte er. «Oder warum schlägt dein Herz so schnell?»
Sie versuchte, sich nicht zu bewegen, und kniff die Au‐
gen zu, als er auch ihre andere Brust befummelte. Sein
Atem ging schwer, offensichtlich erregte ihn die Sache.
Lena hätte wahnsinnige Angst haben müssen, doch
jetzt hatte sie keine mehr. Es war ihr auf unheimliche Art vertraut, wie er seinen Körper gegen ihren presste. Smith 278
war klein und athletisch. Sie spürte, wie sich die Muskeln an seinen Armen und seiner Brust wölbten, und wenn sie
es zuließ, erinnerte er sie an Ethan. Lena wusste, wie sie mit Ethan umgehen musste, wie sie ihn auf dem schmalen
Grad zwischen Wut und Beherrschung in Schach halten
konnte. Ihren Liebhaber anzustacheln war fast wie ein
Spiel für sie. Das einzige Problem war, dass sie manchmal eine Runde verlor. Lenas aufgeplatzte Lippe sprach Bände.
Smith flüsterte: «Hast du da was für mich?» Sie spürte
seinen heißen Atem an ihrem Ohr. Er drückte sich hart an sie, seine Absichten waren deutlich.
Dann hörte Lena eine Stimme, die sie nicht kannte. Der
zweite Bewaffnete murrte: «Hör auf», nicht sehr autoritär, doch Smith wich zurück. Er ließ ihre Brüste erst im letzten Moment los.
Smith knurrte: «Zieh die Schuhe aus.» Dann befahl er
Molly: «Du bist die Nächste. An die Wand.»
Molly hatte sichtlich Angst, doch sie gehorchte und
lehnte sich
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