Schattenblume
begrüßt hatte. Er hatte eine Neun-Millimeter in der einen Hand und die Schrotflinte in der anderen. Seine Jacke stand offen, und Sara sah zwei leere Holster mit zusätzlicher Munition für die Schrotflinte. Im Bund seiner Jeans steckte eine weitere Pistole, und zu seinen Füßen lag eine große schwarze Tasche, die wahrscheinlich noch mehr Munition enthielt. Der zweite Schütze stand hinter dem Tresen, das Gewehr immer noch auf die Eingangstür gerichtet. Sein Körper war angespannt, der Finger auf dem Abzug des Gewehrs. Er kaute Kaugummi, und Sara fand sein geräuschloses Kauen fast noch zermürbender als Smiths Drohungen.
Smith wiederholte: «Bist du noch da, Mann?» Er schwieg ein paar Sekunden. «Hey, Mann?»
Endlich sagte Brad: «Ja, ich bin hier.»
Sara atmete leise aus, Erleichterung machte sich in ihrem Körper breit. Sie drückte sich flach auf den Boden. Am besten käme sie zu Jeffrey vor, wenn sie sich hinter einer Reihe von umgestürzten Aktenschränken vorbeirobbte. Langsam bahnte sie sich den Weg über die kalten Fliesen und streckte ihre Hand nach seiner aus. Endlich berührten ihre Fingerspitzen seinen Jackenärmel. Sie schloss die Augen und schob sich vorwärts.
Die Pistole in seiner Hand war leer geschossen. Sara hätte auch von selbst darauf kommen können, wenn sie nachgedacht hätte. Jeffrey wollte sie gerade laden, als er getroffen wurde, das Magazin war zu Boden gefallen und durch den Aufprall waren die Patronen herausgesprungen, sie lagen überall herum – nutzlose, unbenutzte Patronen. Es war im Grund klar gewesen. Genau so wie die Tatsache, dass sein Handgelenk, als ihre Finger es endlich berührten, kalt war, oder die Tatsache, dass er keinen Puls mehr hatte.
KAPITEL ZWEI
9.22 Uhr
« E than», sagte Lena, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, während sie die Schnürsenkel ihrer neuen schwarzen Basketballschuhe zuband. «Ich muss los.»
«Warum?»
«Du weißt warum», gab sie zurück. «Es ist mein erster Tag wieder bei der Truppe, da darf ich nicht zu spät kommen.»
«Ich will nicht, dass du hingehst.»
«Ach, wirklich? Als hättest du das nicht schon achtzehn Millionen Mal gesagt.»
«Weißt du was?» Er klang beherrscht. Anscheinend war er so naiv zu glauben, dass er es ihr noch irgendwie ausreden könnte. «Du kannst eine ganz schöne Zicke sein.»
«Da hast du aber lange gebraucht, um das rauszufinden.»
Jetzt legte er mit einer seiner Standpauken los, doch Lena hörte kaum zu, als sie sich im Spiegel an der Tür betrachtete. Sie sah gut aus heute. Sie hatte sich das Haar hochgesteckt, und der Anzug, den sie letzte Woche im Ausverkauf gefunden hatte, saß genau richtig. Sie schobdas Jackett zurück und legte die Hand auf das Holster mit der Neun-Millimeter. Das Metall fühlte sich gut unter ihren Fingern an.
«Hörst du mir überhaupt zu?», fragte Ethan.
«Nein», antwortete sie. «Ich bin Cop, Ethan. Kriminalbeamtin. Fertig.»
«Wir wissen doch beide, was du bist», sagte er, jetzt schärfer. «Und wir wissen beide, wozu du fähig bist.» Er wartete ab. Lena biss sich auf die Zunge. Sie würde darauf nicht antworten. Dann änderte er die Taktik. «Weiß dein Boss, dass du wieder mit mir zusammen bist?»
«Es ist kein Versteckspiel.»
Ethan registrierte den defensiven Ton und schlug in die Kerbe. «Das würde dir die Arbeit richtig versüßen, was? In weniger als einer Woche weiß jeder, dass du dich von einem Exknacki vögeln lässt.»
Sie ließ die Waffe los und fluchte leise vor sich hin.
«Was hast du gesagt?»
«Ich habe gesagt, dass es eh schon jeder weiß, du Idiot. Jeder auf dem Revier weiß Bescheid.»
«Aber sie wissen nicht alles», erinnerte er sie mit einem drohenden Unterton.
Lena warf einen Blick auf den Wecker neben ihrem Bett. Sie durfte nicht zu spät kommen an ihrem ersten Tag. Die Lage war schon gespannt genug, ohne dass sie als Letzte hereinschneite. Frank würde das nur als weiteren Beweis dafür ansehen, dass sie noch nicht reif für einen Neuanfang war, und Matt, sein Kumpel, wäre natürlich der gleichen Meinung. Der heutige Tag war für Lena eine schwere Prüfung, schwerer noch als ihr allererster Tag in Uniform. Wie damals würden alle nur darauf warten, dass sie Fehler machte. Der Unterschied war, heute hätten sie Mitleid,wenn Lena es verbockte, während sie sie damals ausgelacht hätten. Und sogar mit Schadenfreude konnte Lena besser umgehen als mit Mitleid. Wenn es heute schief ging, wüsste sie nicht,
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