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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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schlug.
    Unweit des Armenviertels, wohl eine Meile von den letzen Häusern entfernt, schaukelte ein Schiff auf dem Wasser. Es war mit Seilen am Ufer vertäut; auf dem vorgelagerten Steg lungerte ein Betrunkener und brabbelte leise vor sich hin. An Bord herrschte reges Treiben; Musik war zu hören, die übermütigen Töne einer Fiedel, das Brummen einer Sackpfeife und mehrstimmiger Gesang. Nun, da die Dunkelheit einsetzte, glommen Öllampen auf. Gelächter ertönte, als sie entzündet wurden.
    »Ein Schiff nach meinem Geschmack«, raunte Ungeld. Er kauerte neben Parzer und Mäulchen im Ufergestrüpp; sein Turban war verrutscht, hing ihm schräg in die Stirn. »Dort kriegen wir sicher einen feinen Schmaus.« »Ach ne, der Herr denkt wieder nur ans Futtern.« Parzer versetzte dem Netzknüpfer einen Klaps auf den ausladenden Hintern. »Hast wohl vergessen, daß die Gyraner nach uns Ausschau halten! Wir können uns glücklich schätzen, mit heiler Haut davongekommen zu sein. Das werden wir nicht für einen Happen aufs Spiel setzen.«
    »Die suchen längst nicht mehr nach uns«, behauptete Ungeld. »Tarnac von Gyr hat Besseres zu tun, als die Stadt nach ein paar armseligen Fischern zu durchkämmen.«
    Ihre Flucht war im Groben und Ganzen erfolgreich verlaufen; als sie in das Haff gesprungen waren, hatte man sie zwar von den Stegen aus mit Pfeilen beschossen, doch nur vier vor ihnen waren getroffen worden. Die anderen zehn Fischer waren zum Südufer des Haffs geschwommen und dann in Venetors Südstadt untergetaucht. Die Nacht hatten sie in einem leerstehenden Saustall verbracht, am kommenden Tag ihre Wunden geleckt und dann neue Pläne geschmiedet.
    Die Lage stand nicht zum Besten: Rumos und Aelarian waren tot, und Ashnada war zweifellos von den Gyranern erschlagen worden. Es machte also wenig Sinn, den Weg nach Tyran fortzusetzen. Mäulchen hatte deshalb vorgeschlagen, nach Morthyl zurückzukehren. Davon aber hatte Parzer nichts wissen wollen. »Ohne den Turmbinder verlassen wir die Insel nicht«, hatte er betont. »Ganz Rhagis würde uns als feige Muscheln beschimpfen, wenn wir das Erbe Varyns den Gyranern überließen. Wir müssen das Armband zurückholen.«
    Also hatten sie beschlossen, auf Vodtiva auszuharren. Um den Gyranern nicht über den Weg zu laufen, hatten sie sich am frühen Abend zum Stadtrand durchgeschlagen - und dort den See Velubar entdeckt. Nun kauerten sie am Ufer des Faulenden Meers und spähten auf das seltsame Schiff.
    »Sieht nach einer schmierigen Schenke aus«, grinste Mäulchen, obwohl sie durch die verfilzten Strähnen, die ihr ins Gesicht hingen, nicht viel erkennen konnte. »Dort wird uns niemand anschwärzen. Das Volk von Vodtiva haßt die gyranischen Schmeißfliegen ebenso wie wir.«
    »Du erhoffst dir doch nur einen Schluck Schnaps, Mäulchen, weil du schon solange auf dem Trockenen sitzt.« Parzer blickte sich nach den übrigen Fischern um, die hinter ihm im Gestrüpp kauerten. Sie sahen allesamt elend aus; die letzten Tage waren kein Zuckerschlecken gewesen. »Nun, geht mir auch nicht anders. Vielleicht können wir auf dieser Schaluppe die Ohren aufsperren und das ein oder andere in Erfahrung bringen.« Sie verließen ihre Deckung und schlenderten auf den Steg zu. Der Trinker hatte sich an einem Pfahl hochgezogen; aus trüben Augen starrte er die Fischer an.
    »Was seid ihr denn für komische Vögel?« Er kicherte und wischte sich über den zerzausten Bart. »Gyraner etwa? Mit König Tarnac nach Vodtiva gekommen, um euch auf unsere Kosten zu bereichern … nein, nein, will nichts gesagt haben.« Er feixte. »Glaube allerdings nicht, daß ihr hier was verloren habt. Der Prasser wird euch hochkant von seinem Schiff werfen. Gyraner kann er auf den Tod nicht ausstehen.«
    Parzer kochte innerlich. »Ach ne! Erst beschimpft man uns als Troublinier, nun sollen wir auch noch Gyraner sein.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch den dunklen Schopf. »Gyraner sind blond, du Quallenhirn! Wir kommen aus Morthyl und schätzen es gar nicht, wenn man uns mit Beleidigungen empfängt.« »Will nichts gesagt haben«, wehrte der Mann ab. »Wenn ihr Morthyler seid, wird der Prasser euch lieben. Hat viele Jahre das Silbermeer befahren und war in Galbar Are ein gerngesehener Gast. Na, geht schon an Deck … will nichts gesagt haben.«
    Mißmutig schubste Parzer ihn zu Seite. Dann stiegen die zehn Fischer die Leiter empor, die an der Bordwand lehnte. Das Schiff entpuppte sich bei näherer Betrachtung als arges

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