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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Wrack; das Holz war mürbe und wurmstichig. Über den versiegelten Ruderluken war ein fahriger Schriftzug aufgemalt.
    »Hotteposse«,
las Ungeld vor. »Welch putziger Name für ein verlottertes Schiff. Daß es nicht längst abgesoffen ist, kann man wahrlich nur eine Posse nennen.«
    »Deine Possen verkneif dir lieber«, zischte Mäulchen. »Wir suchen keinen Händel mit diesen Leuten.« An Deck herrschte schummriges Licht; buntverglaste Öllampen baumelten an einem Tau und flackerten mit Zischlauten. Auf einem Podest ragte ein zerborstenes Steuerrad empor; daneben lümmelte auf Seekisten die Bardentruppe, ein hagerer Fiedler, ein Sackpfeifenbläser mit warzenbedecktem Schädel und drei pummelige Sängerinnen mit erstaunlich klaren Stimmen. Sie gaben ein Tanzlied zum Besten, und tatsächlich drehten auf dem Deck einige Paare ihre Kreise: zerlumpte bärtige Kerle mit ihren Liebchen, Silberschürfer aus Sibura, die hier den grauen Alltag zu vergessen suchten.
    Am Heck ruhte auf einem Holztisch ein großbäuchiges Faß. Hier zapfte ein Knabe dickflüssiges Bier in Kupferbecher und reichte sie an die nahe Menschentraube weiter. Diese bestand aus jungen Frauen; ihre Kleider waren tief ausgeschnitten, die Haare mit Rosenblättern geschmückt. Sie kicherten unentwegt, nippten an ihrem Bier und schienen sich köstlich zu amüsieren. Zwei von ihnen tanzten lasziv miteinander, so daß der Knabe am Zapfhahn beschämt die Augen niederschlug.
    »Ob da auch für uns ein paar Schlucke herausspringen?« flüsterte Mäulchen mit leuchtenden Augen. »Kommt darauf an, was man uns abknöpfen will«, gab Ungeld zu bedenken. »Unsere Barschaft ist bescheiden. Die Gyraner haben uns außer ein paar Kupfermünzen alles abgenommen.«
    Parzer wollte diesen Einwand nicht gelten lassen. »Ach ne! Ich sage: beherzt voran und tolldreist in die Vollen greifen. Was man erst im Schlund hat, kann einem keiner mehr wegnehmen.«
    Grinsend drängte er in Richtung Faß und wollte sich einen Becher sichern. Doch eine kräftige Männerstimme gebot ihm Einhalt.
    »He! Ihr da!«
    Aus der Weiberschar löste sich ein Mann. Er hatte sein Kinn kampfeslustig nach vorn gereckt, was aber aufgrund seines gutmütigen Gesichts wenig überzeugend wirkte. Er war ein sonnengebräunter, breitschultriger Kerl; seine Körpermasse wandelte auf dem schmalen Grat zwischen Korpulenz und Eleganz, was er durch ein enges Wams in sehr gewagten Farben unterstrich. Üppige schwarze Locken fielen ihm in den Nacken; er strich sie mit seiner linken Hand zurück. An den Fingern glänzten kostbare Ringe.
    »Wer zum Henker seid ihr? Euch hab ich hier noch nie gesehen, und meine Erinnerung trügt selten.« Auf eine Geste hin beendete die Bardentruppe ihr Spiel. »Die Eile, mit der ihr unser Bierfaß ansteuert, wirft die Frage auf, ob ihr zahlende Gäste oder bloße Kostgänger seid. Im ersten Fall heiße ich euch auf meinem Schiff willkommen. Die
Hotteposse
steht euch offen, mit all ihren Freuden.« Er zwinkerte einem der Mädchen zu, das ihm von der Reling her Kußhände zuwarf. »Doch seid ihr letzteres, dann rate ich euch, schnurstracks den Rückweg anzutreten. Schalim der Prasser schätzt es nicht, wenn man ihm auf der Tasche liegt.«
    »Ach ne«, sagte Parzer finster. »Und Schalim der Prasser bist du wohl selbst, nehme ich an.« »Das nimmst du richtig an.« Der Mann prostete ihm mit seinem Becher zu. »Und nun genug gefrotzelt. Da ihr zum ersten Mal auf meinem Schiff einkehrt, will ich nicht unhöflich sein. Zahlt euren Anteil, und euch erwarten heiße Stunden. Laßt allen Trübsinn am Ufer zurück, laßt euch von Velubars Wellen in höchste Wonnen wiegen. Genießt das sämigste Bier, das üppigste Essen, die willigsten Weiber von ganz Vodtiva … begleicht den Anteil, und die
Hotteposse
liegt euch - wie ich, ihr unwürdiger Besitzer - zu Füßen.«
    »Und wie hoch ist dieser Anteil«, fragte Mäulchen mit spitzer Stimme.
    Der Prasser wandte sich ihr zu. Er hatte sie offenbar zuvor nicht bemerkt. Nun gingen ihm schier die Augen über. »Schaut an! Warum sagt ihr nicht gleich, daß ihr in weiblicher Begleitung kommt?« Er eilte auf die junge Fischerin zu, ergriff ihre Hand und küßte sie formvollendet. »In diesem Fall ist der Anteil durch deine zauberhafte Erscheinung abgegolten, holdes Wesen - sofern ich deinen wohlklingenden Namen erfahren darf.« »Das Wesen nennt sich Mäulchen«, rief Ungeld, der sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten hatte. »Und nun seid so gut und nehmt

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