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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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geschickter Liebhaber, das können euch alle Damen hier an Bord bestätigen.«
    Mäulchen blieb die Spucke weg. »Das geht zu weit!« Sie wollte sich auf Schalim stürzen und ihm das Gesicht zerkratzen, doch Parzer trat ihr in den Weg.
    »Laß Ungeld nur machen! Er wird den Blechseidel finden, nicht wahr?« Er warf Ungeld einen grimmigen Blick zu. »Du weißt, was auf dem Spiel steht. Ohne dieses Schiff können wir Varyns Erbe nicht zurückgewinnen … enttäusche uns bloß nicht.«
    Der Netzknüpfer spähte unglücklich auf das dunkle Gewässer, während Mäulchen sich nun auf Parzer stürzte und wilde Flüche gegen ihn und den Prasser ausstieß. Dann zog Ungeld seufzend seinen Turban vom Kopf und schritt wie ein Todgeweihter zur Reling.
    Die Nacht hatte ihren dunklen Mantel über Schattenbruch ausgebreitet. Kein Mondstrahl drang durch die Baumdecke des Parks. Nur winzige Lichtpunkte schwirrten umher, Glühwürmchen und Glasfalter. Und sachte Geräusche: das Rauschen der Blätter, das Flattern von Fledermausschwingen, der ferne Ruf einer Eule. Im hinteren Winkel des Parks, wo die Bäume am dichtesten standen, lag ein zerfallenes Schloß; ein langgestreckter, zweistöckiger Bau, dem zwei Terrassen vorgelagert waren. Diese waren von Nesseln und Gräsern bewuchert, und auch das Schloß selbst hatte die Natur zurückerobert: Efeu umrankte die Mauern, und eine nahe Eiche hatte mit ihren Ästen das Dach abgefegt.
    Aus einem Fenster im unteren Stockwerk fiel Lichtschein. Auf der Fensterbank hockte Aelarian Trurac, in den Händen eine flackernde Kerze, und blickte nachdenklich in die Finsternis.
    »Schattenbruch … ich wünschte tatsächlich, die Schatten würden zerbersten und uns das Geheimnis unseres Gastgebers enthüllen.« Er wandte den Kopf und sah auf das Bett am Ende des Raums. Dort lag mit geschlossenen Augen Cornbrunn, splitternackt; er versuchte zu schlafen. »Gestern hat er uns hier im Schloß aufgenommen, uns sein eigenes Nachtlager überlassen, um dann am Abend im Park auf Wanderung zu gehen. Seitdem haben wir den Herrn Schattenspieler nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
    »Was kümmert Euch das?« Cornbrunn gähnte und öffnete die Augen. »Er hat uns freundlich empfangen und bewirtet, und er belästigt uns nicht mit Fragen. Laßt diesen Eigenbrötler ruhig durch seinen Park stromern, er wird schon zurückkehren. Und jetzt legt Euch zu mir, es war ein anstrengender Tag.«
    Sie waren am frühen Morgen erwacht; der Schattenspieler hatte ihnen Dinkelbrot, Früchte und Wasser vor die Schwelle gelegt. Der Raum, in dem sie genächtigt hatten, mußte einst die Empfangshalle des Schlosses gewesen sein; der Steinboden wies an einigen Stellen Verzierungen auf, und an der Wand hing ein abgewetzter Teppich, auf dem der Umriß eines Greifvogels prangte. Die Einrichtung war bescheiden; ein Tisch, eine Kleidertruhe, ein Bett. Die Treppe zum oberen Stockwerk war eingestürzt, und die Türen zu den angrenzenden Räumen waren versperrt.
    Nach dem Frühstück hatten die Troublinier nach ihrem Gastgeber Ausschau gehalten. Sie waren der Allee gefolgt, die durch den Park bis zum verfallenen Tempel führte. Dort hatten sie bald vergessen, nach dem Schattenspieler zu suchen; zu viel gab es in Schattenbruch zu entdecken: gewundene Bäche, die sich durch die Wiesen zogen und in denen Forellen und Goldfische schwammen; eine Grotte am Rand des Talkessels, aus der glasklares Quellwasser sprudelte; Feuchtwiesen, auf denen dunkelrote Orchideen wuchsen, unter deren Blüten Schlangen und Gottesanbeterinnen umher huschten; Rosenrabatten, über denen zahllose Schmetterlinge taumelten. Den ganzen Tag waren Aelarian und Cornbrunn umhergewandert, hatten sich auf den Wiesen gesonnt, ihre Füße im Wasser gekühlt und sich zum Abend hin in eine romantische Stimmung hineingesteigert, die der Großmerkant sonst eher selten zuließ.
    Mit Anbruch der Dunkelheit waren sie zum Schloß zurückgekehrt. Der Schattenspieler hatte ihnen erneut Wasser und Brot vor die Schwelle gelegt, doch er selbst blieb verschwunden.
    Aelarian rutschte von der Fensterbank und sah sich in der Halle um. »Wer in aller Welt errichtet auf einer verlassenen Insel ein solches Bauwerk? Es mag nicht groß sein, doch es zeugt von vergangenem Reichtum.« »Ebenso wie der Park. Hört endlich auf, Euch den Kopf zu zerbrechen. Morgen früh werden wir weiterziehen, ins nächste Dorf, um ein Schiff aufzutreiben. Ihr wollt doch noch immer nach Tyran, oder nicht?« »Sicherlich … aber zuvor

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