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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Euch.« »Erkenntnis nennst du das?« Jundalas Stimme klang schrill. »Ich bin blind, werde nie wieder sehen können, nie wieder weinen …«
    Nun spürte sie eine Hand ihre Schulter streifen. Jundala schrak zurück. Denn vor ihr stand Mhadag. Sie SAH ihn! Inmitten der Finsternis zeichnete sich sein Gesicht ab: der ernste Mund, die kindliche Nase. Nur seine Augen waren verwandelt: das Grün war einem goldenen Glanz gewichen.
    »Wie ist das möglich?« flüsterte die Fürstin. Sie griff nach Mhadags Gesicht, spürte die Wärme seiner Wangen. »Warum kann ich dich sehen?«
    »Die Barke der Schwarzen Erkenntnis öffnet uns die Augen und hilft uns, den Weg zu finden, der uns so lange verborgen blieb. Wir müssen ihm folgen und alles hinter uns zurücklassen.«
    Nun bemerkte Jundala auch die Südsegler; ihre Körper waren schemenhaft in der Dunkelheit zur erkennen, doch um so deutlicher zeichneten sich ihre Gesichter ab, die bleichen Wangen mit der Tätowierung des brennenden Schiffs. Ihre Augen waren nicht mehr verbunden; golden glommen sie in Finsternis, starrten Jundala an. Erschrocken klammerte sie sich an Mhadag.
    »Dann sind wir also noch auf der Barke … doch wohin fahren wir? Wohin trägt uns das Schiff?« Einer der Südsegler schritt auf Jundala zu. In den Händen hielt er die Karte, die sie schon einmal gesehen hatte; doch nun erstrahlte das Pergament weiß, und die Ränder glänzten silbern. »Der Ruf ist erklungen, wir müssen ihm folgen«, wisperte er, »die Suche beenden und Gharax entfliehn; es gibt keine Rückkehr, die Welt ist im Wandel; die Menschheit, sie muß endlich weiterziehen.«
    Jundala zog Mhadag zu sich heran. »Was will er mir sagen? Diese Reime … sie machen mich wahnsinnig!« »Es ist der Fluch des Verlieses. Als die Südsegler das Holz der Barke aus Varas Katakomben holten, wehrte sich die Quelle gegen den Diebstahl; der Ausgang, den man ihnen gezeigt hatte, war verschlossen, und so mußten sie einen neuen Weg durch das Labyrinth suchen. Es war ein gefährlicher Rückweg, den nur wenige überlebten; und jene, die ans Tageslicht zurückkehrten, hatten sich verändert. Die Schriften des Verlieses hatten sie verwirrt … die Macht der ungeschriebenen Worte.« Mhadag nickte traurig. »Versucht sie zu verstehen, Fürstin. Sie haben ein großes Opfer erbracht, um der Menschheit den Weg zu ebnen.«
    Der Südsegler entrollte die Karte. Wieder sah Jundala die Umrisse von Gharax; doch nun war auf der unteren Kartenhälfte, die bisher nur das Südmeer gezeigt hatte, eine neue Küstenlinie zu erkennen: ein Kontinent südlich von Gharax. Er reichte vom äußersten Westen des Silbermeeres bis unter die Kapspitze von Thoka, eine riesige Landmasse, von der die Karte nur den nördlichen Ausschnitt zeigte. Die Inseln Morthyl und Vodtiva aber waren ausradiert, waren in dem Kontinent aufgegangen …
    »Das Ziel eurer Suche!« stieß Jundala hervor. »War es schon immer auf diesem Pergament verzeichnet?« »Wir kannten die Lage, wir lasen die Karte«, hörte sie die Stimmen der Südsegler, »und suchten die Küste jahrhundertelang; sie blieb uns verborgen, wir konnten nicht sehen, bis das Verlies unsre Augen bezwang.« Eine plötzliche Angst ergriff die Fürstin, die Angst um Baniter; kurz vor ihrem Streit hatte er ihr von den Katakomben unter Vara erzählt, von den Phantastereien des Baumeisters Sardresh und dessen Verbindung zu Baniters Großvater. »Ihr wart also im Verlies? Was habt ihr dort gesucht?«
    »Den magischen Schlüssel der Schwarzen Erkenntnis; die Planken der Barke, wir fanden sie dort; wir baten den Luchs, uns den Eingang zu zeigen, er willigte ein, und er hielt auch sein Wort.«
    »Der Luchs? Meint Ihr Norgon Geneder? Baniters Großvater?« Jundala wich vor den Südseglern zurück. »Deshalb habt Ihr Euch damals geweigert, Baniter zu entführen! Deshalb habt Ihr mich verraten …«
    »Der Fürst von Ganata, der Erbe des Luchses: sein Schicksal, es fesselt ihn an das Verlies. Wir wagten es nicht, ihn von dort zu verschleppen, da uns die Schrift seine Kräfte verhieß.«
    Jundala preßte ihre Fäuste an die Schläfen, begann zu schluchzen; die Schmerzen lähmten sie ebenso wie die Erkenntnis, diesem Wahn ausgeliefert zu sein, hilflos und blind.
    »Die Stunde ist nah, Fürstin«, hörte sie Mhadags Stimme; er versuchte sie zu trösten. »Die Barke schwimmt bereits der Küste entgegen, die uns die Dunklen Warte verkündet haben … bald werden wir festes Land erreichen. Dann wird Euer Schmerz

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