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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch
Autoren: Markolf Hoffmann
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Das Heer der Klauen löste sich aus dem Nichts; rings um den Auserkorenen erschienen mehrere hundert Sporne, die mit klackenden Lauten durch die Luft fuhren und nach neuen Feinden suchten. »Wir sind angekommen«, sagte der Junge leise. »Drafur hat mich nach Tyran geführt. Nun bin ich hier, wo alles seinen Anfang nahm.«
    Auf eine Geste hin sanken die Klauen zu Boden. Laghanos wandte den Kopf und betrachtete voller Ruhe das Eiserne Tor. Auf den zwei Felsnadeln brach sich das Sonnenlicht; helle Strahlen zerschnitten die Luft und bildeten einen Fächer. Dahinter waberte Dunst; er verdichtete sich, nahm die Form eines Nebelwesens an. Schwarze Augen linsten aus dem magischen Tor.
    Laghanos begrüßte die Kreatur mit einem Kopfnicken. »Tritt hervor. Ich habe dich schon erwartet.« Der Nebel durchbrach die Lichtstrahlen, verfestigte sich zu rötlicher Schuppenhaut. Dunstfetzen formten sich zu Klauen, zu einem Echsenschädel. Nur die Augen blieben schwarz und unergründlich.
    »Aquazzan …« Laghanos trat einen Schritt zurück und betrachtete den Goldei. Dieser trug eine purpurne Kutte; am Gürtel steckte ein Messer, die Klinge gebogen wie der Echsenschwanz, der über dem Boden pendelte. Das Maul des Goldei war geöffnet und zeigte eine Reihe scharfer Zähne.
    »Siehst mich endlich wieder«, fauchte die Echse, »in der Gestalt, die man uns aufzwang. Spürst die Furcht, die unser Aussehen hervorruft, und den Haß, den es unter euch Menschen schüren soll.«
    »Ich empfinde weder Angst noch Haß«, antwortete Laghanos. »Ich bin euch ähnlicher, als ich es den Menschen je war.«
    »Bist durch die Sphäre gereist und teilst unser Schicksal. Wurdest dazu auserkoren. Es war Drafurs Wille.« Aquazzans Augen funkelten. »Er befahl uns, ein Kind zu suchen, das stark genug ist, um die Sphäre zu lenken. Haben dich ausgewählt, damit seine Macht in deinen Körper übergeht.«
    »So ist es geschehen. Ich trage Drafurs Maske und Drafurs Mantel, führe das Heer der Beschlagenen an und kämpfe an eurer Seite. Nun will ich den Weltengang vollenden.«
    »Hast ihn längst begonnen. Doch ein steiniger Weg liegt vor dir.« Aquazzan blinzelte in die Sonne. »Einst nannte mich dein Lehrmeister Sorturo den Anführer der Goldei. Sagte ihm, daß dieses Wort einen falschen Klang hat. Bin wie meine Brüder Sazeeme und Quazzusdon ein Wegführer. Wir führten unser Volk durch die Sphäre in eure Welt, so wie es Drafurs Stimme uns befahl. Nun sollst auch du ein Wegführer sein. Doch nicht für uns … für die Menschen!« Er deutete gen Osten. »Haben ihren Widerstand gebrochen. Ihre Heere sind besiegt. Jene, die uns feindlich gesinnt waren, starben; die anderen verschonten wir. Und die Quellen wurden befreit; die Weinende Mauer fiel, und auch der Spiegel des Himmels wird bald unser sein, denn Gyrs König ist geflohen.« »Wenn ihr alle Quellen befreit habt, ist Gharax kein Ort mehr, an dem die Menschheit bleiben kann«, sagte Lagha-nos.
    »Sie muß weiterwandern … mußt sie an den Ort führen, den Drafur ihnen bereitet hat. Kannst die Quellen durchschreiten … die Maske schützt dich vor ihren Strömen, und der Mantel trägt dich an jeden Ort. Wirst den Menschen die Hand reichen und ihnen die neue Welt eröffnen.«
    »Und ihr werdet euch auf Gharax niederlassen …«
    »Können nur im Umkreis der Quellen überleben. Werden sie hüten und ihre Freiheit achten. Ihr aber werdet ohne ihre Macht auskommen. Ließen alle Zauberer, die wir fanden, durch das Silber gehen, damit das Unheil sich nicht wiederholt.« Aquazzan hob seine Klauen und betrachtete sie. »Bald wird die scheußliche Hülle von uns abfallen. Bald sind wir erlöst.«
    »Und eure Brüder, die ›Gehäuteten‹?« Laghanos dachte an sein erstes Zusammentreffen mit einer der Echsen, die durch den Raub der Magie verstümmelt worden waren. Sie hatte sich aus der Quelle von Larambroge geschält, den Großmeister Charog zerrissen; und Laghanos erinnerte sich auch an den ›Gehäuteten‹, der ihn in der zerrütteten Welt der Goldei angefallen hatte. In beiden Fällen war Aquazzan rechzeitig zur Hilfe geeilt, doch die Furcht saß Laghanos noch in den Gliedern. »Werden auch sie von ihrem Leid erlöst?«
    »Wurden zu sehr entstellt. Können die Schmerzen niemals vergessen.« Es fiel dem Rotgeschuppten schwer, von den ›Gehäuteten‹ zu sprechen. »Kämpften an unserer Seite, doch ihr Haß ist zu groß. In Harsas ließen wir sie aus Leichtsinn auf die Menschen los, doch sie töteten viele
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