Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
Knochen. Er hat einmal eine Woche lang in einem Boot überlebt, mitten im Eis, und das, obwohl er fast nackt war.«
    »Bemerkenswert«, gab Schalim zu. »Falls er zurückkehrt, will ich alles darüber erfahren.« Er rieb sich die Hände. »Falls er zurückkehrt …«
    Ungeld planschte ziellos im Wasser herum. Immer wieder hustete er, spuckte fauliges Wasser aus, das ihm in Mund und Nase drang. Dann hatte er endlich die Stelle erreicht, an die Parzer ihn gelotst hatte. »Und jetzt die Rübe unter Wasser«, schrie Parzer ihm zu. »Allzu tief kann der Tümpel ja nicht sein!« Ungeld wedelte unglücklich mit den Armen und erntete Gelächter an Bord der
Hotteposse.
Mäulchen beugte sich derweil zu Parzer hinüber. »Das schafft er doch nie! Ich warne dich, Parzer! Wenn du glaubst, daß ich wegen deiner hirnlosen Wetterei zu diesem Kerl in die Koje schlüpfe, hast du dich geschnitten. Eher schlitzte ich dem Prasser die Kehle auf, als mit ihm …«
    »Reiß dich zusammen«, wies Parzer sie zurecht. »Ich vertraue Ungeld. Und falls er den Becher nicht findet, können wir immer noch türmen. Wäre nicht das erste Mal.«
    Ungeld hatte nun tief Luft geholt und tauchte unter. Die Wellen schlugen über ihm zusammen wie schwarze Suppe. Ein letztes Glucksen - dann war er verschwunden.
    »Pfui Spinne … in dieser Brühe könnte ich es nicht aushalten«, schüttelte sich der Prasser vor Lachen. »Mal sehen, wie oft er zum Luftholen emporkommt.«
    »Schalim!« Eine der jungen Frauen zeigte auf das Wasser. »Sieh doch … da drüben!«
    Ein Plätschern im Wasser. Dann hallte ein Stöhnen über den See, ähnlich dem Ruf eines Sterbenden. Schalim kniff die Augen zusammen und hob seine Laterne.
    »Verflixt! Ein Siebenzahn! Seit wann kommen diese Biester so nah ans Seeufer?«
    »Siebenzahn?« Parzer rollte mit den Augen. »Was in aller Welt ist das?«
    »Ein Raubtier! Der größte und gierigste Vertreter der Otternfamilie, eine Gattung, die es nur im See Velubar gibt.« Der Prasser versuchte in der Finsternis etwas zu erkennen.
    »Zwei Meter lang und Zähne wie Dolche … am Tag sind sie friedlich, doch in der Nacht gehen sie auf Raubzug und verschlingen alles, was ihnen unterkommt.«
    »Und das sagst du uns jetzt?« Mäulchens Stimme klang schrill. »Du läßt Ungeld in diesen See hüpfen, in dem ein solches Untier nach Beute fischt?«
    Schon wollte sie sich über die Reling stürzen und Ungeld zur Hilfe eilen, doch der Prasser hielt sie zurück. »Hiergeblieben! Wenn du da runterspringst, beißt er dich in sieben Teile!« Er winkte dem Knaben am Bierfaß zu. Dieser angelte einen Speer unter dem Tisch hervor, eine wohl zwei Schritt lange Waffe mit einer Spitze aus geschliffenem Knochen. Prasser ließ sich den Speer reichen und wog ihn in der rechten Hand. »Ich kümmere mich darum … hebt schon die Lampen höher, ihr Weibsbilder!«
    In diesem Augenblick tauchte Ungeld auf, schnappte nach Luft. Er krächzte vor Entsetzen, als sich vor ihm das Wasser teilte. Der Siebenzahn schnellte hervor, glänzendes schwarzes Fell, giftgrüne Augen, das Maul weit aufgerissen. Ein aalglatter Schwanz peitschte durch die Wellen, traf Ungeld ins Gesicht, so daß er aufs Wasser geschleudert wurde. Er kreischte wie am Spieß, während das Untier sich über ihn warf, die Zähne in seine Hüfte schlagen wollte. Doch schon sirrte Schalims Speer durch die Luft, bohrte sich in den Nacken des Riesenotters. Der Siebenzahn riß seine Tatzen empor, jaulte auf wie ein Seehund; warf sich umher, so daß Fontänen aufspritzten, und glitt dann zurück in Velubars Brühe, um am Seegrund den Speer abzustreifen, der ihm ins Fleisch gefahren war.
    Ungeld hatte sich von seinem Schreck erholt und schwamm in Todesangst auf die
Hotteposse
zu, deutlich schneller als zuvor. Die Silberschürfer zogen ihn an Deck, und als ein Häufchen Elend brach er vor dem Prasser zusammen.
    »Euer See, er stinkt zum Himmel!« Ungeld hustete einen Schwall Dreckwasser aus. »Kein Wunder, daß er solch widerwärtige Kreaturen anzieht …« »Ich muß mich entschuldigen«, sagte Schalim kleinlaut. »Ich hatte keine Ahnung, daß ein Siebenzahn in unserer Nähe weilt.«
    »Ich meinte nicht den Siebenzahn.« Ungeld reichte dem Prasser einen schlammbeschmierten Gegenstand, den er gegen seinen Körper gepreßt hatte. »Hier hast du deinen blöden Becher wieder, bis zum Rand mit Schlick gefüllt. Koste ruhig davon; mir hat es auch nichts geschadet.«
    Der Prasser nahm den Kupferbecher verblüfft entgegen.

Weitere Kostenlose Bücher