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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Spektakels; zweihundert Männer und Frauen, ein Heer stummer Krieger, die dem Wandelbaren in die Schlacht gefolgt waren. Ihre rechten Arme waren bis zum Ellbogen mit Silberstangen umwirkt; sie durchdrangen das Fleisch, stützten die Sehnen, verstärkten die Finger zu Spornen und Schneiden. Es waren ihre Waffen, ein Geschenk des Gefüges, mit dem sie seit ihrer Beschlagung verschmolzen waren. Das Gefüge verlieh ihnen Kraft in der Schlacht und bewachte ihre Körper, die in der Erhabenen Halle zurückblieben, während die silberbewehrten Klauen in die Sphäre übertraten.
    Ein Surren … die Sporne der Beschlagenen schabten aneinander, spreizten sich wie Insektenflügel; das Vibrieren der Silberdrähte, der Ruf des Gefüges setzte sie in Bewegung. Drohte eine neue Schlacht? Wollte Laghanos erneut in die Sphäre ziehen? Die Beschlagenen warteten, stumm und ergeben. Einige von ihnen verdrehten die Augen, doch diese waren weiß und leer, der Welt entrückt. Seit Laghanos den Weltengang angetreten hatte, verharrten sie in diesem Zustand. Ihre Brüder und Schwestern, die Unbeschlagenen, pflegten sie unterdessen; träufelten ihnen Wasser in die Münder, gaben ihnen Nahrung, wuschen sie und wechselten ihre Kleidung. Doch welche Qualen die Beschlagenen erlitten, konnten sie nur erahnen. Der Krieg um die Sphäre forderte ein furchtbares Opfer.
    Unweit des Turms, der sich in der Erhabenen Halle erhob, stand mit gebeugtem Haupt eine Beschlagene - eine junge Frau mit braunem Haar, ihr Gesicht blaß. Die Augen waren geschlossen; die Lippen bebten, und die rechte Hand war zur Faust geballt, öffnete und schloß sich in regelmäßigem Takt. Unter den Silberstangen war der Arm entzündet, und ihre Stirn glühte im Fieber. Ihre Beschlagung war erst wenige Wochen her; überstürzt hatte sie den Haubenträger gebeten, Laghanos in die Sphäre folgen zu dürfen. Nun litt auch sie im Heer des Wandelbaren; hatte an seiner Seite gegen die Arphater gekämpft und in der Flammenbucht in vorderster Reihe gestanden, als Laghanos durch die Feuersglut vertrieben worden war. Sie hatte die Schmerzen der Beschlagung ertragen - doch nicht aus Gefolgstreue zum Spektakel. Nein, sie diente einer anderen Macht …
    »Tyra! Endlich finde ich dich!«
    Sie riß die Augen auf. Der Schleier, der ihre Sinne verhängte, löste sich; ein Schatten dämpfte das Funkeln des Silbers, und angenehme Kälte ergriff Besitz von ihren Gliedern.
    »Meister …« Sie schluckte; ihre Kehle war trocken. »Bist du es wirklich? Oh, ich habe mich so nach dir gesehnt.«
    »Ja, ich bin es, Tyra.« Eine Stimme, weich wie der Klang einer Harfe, hallte in ihrem Kopf. Nur Tyra konnte sie vernehmen: die Stimme Mondschlunds, ihres Herrn. Er besaß die Macht, sich der Aufmerksamkeit des Gefüges zu entziehen. »Es war tapfer, dich zur Beschlagung zu melden. Der Haubenträger hätte bemerken können, daß du eine Jüngerin des Mondes bist.«
    »Ich mußte es tun, Meister … ich hatte versagt. Es war meine Pflicht, Laghanos zu töten, bevor er mit dem Gefüge verschmolz, doch ich scheiterte. Deshalb bestimmten die Mondjünger mich, ihm in die Sphäre zu folgen.« Tyra wisperte die Worte, um nicht von den anderen Beschlagenen gehört zu werden. »Nun, da ich selbst zu einer Beschlagenen geworden bin, sprichst du zu mir - nach all den Jahren!«
    »Erst jetzt konnte ich den Weg zu dir finden«, säuselte Mondschlund. »Doch wir müssen uns beeilen; wenn ich deinen Geist zu lange verhülle, wird das Gefüge mißtrauisch.« Seine Stimme durchdrang ihren gesamten Körper, wusch den Schmerz fort, betäubte das brandige Fleisch. »Bald wird Laghanos durch das Tor der Tiefe schreiten. Er wird nach Tyran gelangen - dort, wo alles seinen Anfang nahm - und dann auf seinen größten Gegner treffen …« »Der Mann, der die Flammen beherrscht«, flüsterte Tyra. »Ich sah ihn im Kampf um Fareghi!« »Sein Name lautet Nhordukael. Er hat sich Laghanos in den Weg gestellt und wird es wieder tun; doch solange Laghanos mit dem Gefüge vereint ist, kann er ihm nur Steine in den Weg legen, ihn aber nicht besiegen. Erst wenn Laghanos sich nach Tyran begibt - und glaube mir, dies wird er schon bald tun - , ist sein Körper verwundbar genug.« Ein goldenes Leuchten wanderte über Tyras Hand; es schien das Silber von innen zu durchdringen. »Wenn diese Stunde gekommen ist, mußt du die Entscheidung herbeiführen; denn ich bin mir nicht sicher, ob Nhordukael stark genug ist. Blende Laghanos mit dem Glanz des Mondes,

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