Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
seitlichen Ausfall an sich vorbeisausen. Dann zog sie ihr Schwert schräg in die Höhe. Es öffnete dem ersten Gyraner den Brustkorb; röchelnd sackte er auf den Steg, eine Blutlache breitete sich unter ihm aus. Den zweiten traf die Schwertspitze in die untere Gesichtshälfte; das Geräusch der splitternden Zähne glich dem Bersten eines Tonkrugs. Die Wucht des Hiebs schleuderte ihn vom Steg; er klatschte auf das Wasser, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Ashnada wirbelte herum. Ihre Klinge zielte auf den dritten Gyraner, den sie zu Beginn entwaffnet hatte. Dieser hatte sich aufgerappelt, wich zur offenstehenden Tür des schwimmenden Kerkers zurück. Er zitterte vor Angst. Von hinten schnappten zahlreiche Hände nach seinen Beinen und zerrten ihn in das Innere des dunklen Raums, als wollten sie ihn vor Ashnada beschützen. Sein Hilferuf wurde rasch erstickt.
    Kurz darauf kletterten Ungeld und Parzer zum Steg empor. Angewidert blickten sie auf die Leiche des Wachpostens. »Das wird man uns übelnehmen, Ashnada«, ließ Ungeld verlauten. »Die Gyraner kennen keinen Spaß, wenn man einen der ihren kaltblütig erschlägt.«
    »Das ist wahr«, flüsterte Ashnada. Ihre Augen suchten den Steg ab, während sie das Knochenstück in der linken Hand umschloß. Dort waren sie wieder - die Fußstapfen! Sie schwelten auf dem Holz, ohne es zu verzehren, und führten zur angrenzenden Hängebrücke. Die Spur, der sie folgen mußte. Die Spur zu Tarnac von Gyr … Parzer half derweil den anderen Fischern auf den Steg. Als letzte kletterte Mäulchen ins Freie; unruhig blickte sie um sich.
    »Und was nun? Hier stehen wir im Nirgendwo, mit zwei Leichen und einem Gefangenen, und wissen nicht, wohin. Brillanter Plan, Ungeld.« Die Bretterstege waren nicht zu überblicken; sie führten in alle Richtungen. Im Süden des Haffs lag das Festland - dort waren die Häuser von Venetor zu erkennen, dem bedeutendsten Ort auf Vodtiva, berühmt für seine Silberschmiede und Edelsteinschleifer. »Wenn die Gyraner spitzkriegen, was hier geschehen ist, jagen sie uns auf den Stegen wie Hühner.« »Hast du schon einmal versucht, fünfzehn Hühner zu fangen? Ich sage dir, das ist nicht einfach.« Ungeld rückte seinen Turban zurecht. »Wir teilen uns auf. Fünf Mann nehmen die linke und fünf die rechte Brücke, der Rest schlägt sich anderweitig durch. Dann sieht jeder zu, wie er auf eigene Faust aus der Stadt kommt, damit wir uns in, sagen wir, fünf Tagen an einem bestimmten Ort …« Er stockte. »Halt! Wo willst du hin, Ashnada?« Sie hörte ihn nicht, hielt Schwert und Knochen fest in den Händen und rannte los. Ihre Stiefel ließen die Hängebrücke schwanken. Sie hielt auf die Stadt zu, obwohl in dieser Richtung weitere Gyraner zu erkennen waren.
    »Bleib stehen, dumme Pute«, zeterte Ungeld. »Allein kannst du ja doch nichts ausrichten!«
    »Die kommt schon zurecht.« Parzer strich grimmig über seinen Ziegenbart. »Mir ist ohnehin wohler, wenn sie sich verkrümelt. Du hast ja gesehen, was sie mit ihrem Schwert anrichtet.«
    »Und was wird aus uns? Wir sind unbewaffnet … hilflos …«
    Parzer grinste. »Auf den Stegen mit Sicherheit; da fangen sie uns rasch wieder ein, und dann ergeht's uns dreckig. Aber seit wann wählen wir Leute aus Rhagis den üblichen Weg?«
    Er nahm Anlauf und hüpfte in das brackige Haff. Ein Schwall Wasser spritzte empor und erwischte Ungeld mit voller Breitseite. Der verdatterte Blick des Netzknüpfers war Gold wert.
    »Parzer hat recht«, rief Mäulchen. »In ihren Waffenröcken können uns die Gyraner kaum hinterherschwimmen. Los, los! Laßt uns keine Zeit verlieren.«
    Begeistert warf sie sich Parzer hinterher, und auch die anderen Fischer folgten ohne großes Federlesen. Auf einem Stein am Wegesrand saß eine Eidechse. Mit halb geschlossenen Lidern sonnte sie ihren geschuppten Leib, den Schwanz, die angewinkelten Füße. Sie thronte auf dem Kiesel als Verkörperung der Zufriedenheit und des Genusses.
    Plötzlich schreckte sie empor und reckte den Kopf; ihr Hals legte sich in Falten. Sie hatte ein Fauchen vernommen - ja, ganz deutlich! Hastig sprang sie von dem Stein … keinen Augenblick zu früh! Denn durch die angrenzende Hecke preschten zwei bösartige Tiere, spitze Zähne, gierige Augen, zu allen Schandtaten bereit: Grimm und Knauf, die verwegensten Kieselfresser der troublinischen Moore.
    Die Eidechse huschte auf eine nahe Wiese, schlug sich im Zickzack durch das Gras. Grimm und Knauf setzten ihr nach,

Weitere Kostenlose Bücher