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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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würden wir in einem Bett die Beine ausstrecken. Würdet Ihr uns für ein paar Tage Eure Gastfreundschaft gewähren? Selbstverständlich werden wir Euch bezahlen; das Gold wird Euch der geschätzte Großmer…«
    »Es wäre überaus freundlich«, fuhr Aelarian seinem Leibdiener ins Wort. »Vorausgesetzt, wir fallen Euch nicht zur Last.«
    Der Schattenspieler dachte nach. »Ein paar Tage … nun, ich bin eigentlich sehr beschäftigt. Die Zeiten erfordern meine ganze Aufmerksamkeit. Denn auch ich bin ein Reisender, müßt Ihr wissen. Der Park ist meine Heimat, doch ich bin an vielen anderen Orten zu Hause.« Er kicherte. »Sei es drum, ich will Euch gern eine Weile lang aufnehmen. Ihr könnt mir erzählen, woher Ihr kommt und wohin Ihr geht; vielleicht kennt Ihr die eine oder andere Schnurre oder wißt von interessanten Begebenheiten, die sich in unserer Welt zutragen.« Er rupfte die Schattenfiguren aus dem Moos und verstaute sie in der Tasche seines Gewands. »Es ist lange her, daß ich Gäste hatte. Wenn Euch das nicht schreckt, so seid mir willkommen.«
    Aelarian zögerte. Geheuer war ihm der Fremde nicht, doch er weckte seine Neugier. »Wir nehmen das Angebot gerne an. Aber wo steht Euer Haus, Herr Schattenspieler? Außer der Tempelruine konnten wir kein Gebäude entdecken.«
    »Mein Haus steht überall und nirgendwo.« Belustigt strich der Schattenspieler sein wirres Haar zurück. Er war jünger, als Aelarian zunächst vermutet hatte, wohl um die dreißig Jahre alt. »Nein, verzeiht, ich treibe Schabernack mit Euch … dort hinten, am Ende der Alleen, geht der Park in einen Wald über. Dort befindet sich mein Schloß.« Er bemerkte die erstaunten Blicke seiner Gäste. »Es ist alt, ein wenig verfallen, doch einige Räume sind noch bewohnbar. Ich führe Euch gerne dorthin.«
    Er blinzelte in das einfallende Sonnenlicht. Dann trat er aus dem Schattenkreis der Weide, den Kopf gesenkt, und schlurfte langsam durch das Gras zur Allee. Die Troublinier beeilten sich, ihm zu folgen.
    »Eine Frage noch, werter Herr Schattenspieler«, sagte Aelarian schließlich, als sie sich durch die Hecken zurück auf den Weg gekämpft hatten. »Wenn Ihr uns schon Euren Namen verschweigt, so sagt uns zumindest, wie man diesen wundervollen Park nennt.«
    »Den Park?« Der Fremde blickte zu den Baumkronen der Eichen empor, die das Sonnenlicht über dem Kiesweg filterten. »Schattenbruch. Ich nenne ihn Schattenbruch.«
    Das Turral, die Halle am Sund von Venetor, war seit jeher der Sitz der vodtivischen Herrscher. Erbaut hatten ihn die Turr, die Nachfahren des reichsten Gründers des Silbernen Kreises; sie hatten die Halle gleich hinter dem Haff errichtet, nah am Wasser. Turral war ein Gebäude von verschwenderischer Pracht: Fenster aus thokischem Glas, die Wände mit Blattgold belegt, ein Boden aus kostbaren Mosaiken und zwei silberne Statuen, die neben dem Eingang Wache hielten: ein Kranich, das Wappentier der Turr, und ein Otter, in dessen Gestalt der Legende nach Durta Slargin nach Vodtiva geschwommen war, um die Woge der Trauer zu besänftigen. Die Zähmung dieser Quelle hatte die Ströme um Vodtiva beruhigt, und der riesige Binnensee, der die Insel durchzog, trat nicht mehr über seine Ufer wie in der Alten Zeit.
    Die Turr waren lange Vergangenheit. Ihr letztes Oberhaupt, Fürst Turic, der drei Jahrzehnte lang sitharischer Kaiser gewesen war, hatte keine Nachkommen gezeugt. Nach seinem Tod war der Thron der Familie Thayrin und das Fürstentum der Familie Suant zugefallen. Diese hatte Vodtiva gut verwaltet, den Reichtum der Insel gemehrt; dennoch hatten viele Bewohner den Turr nachgetrauert. Sie hatten die neue Fürstenfamilie respektiert, nicht aber geliebt. Vielleicht hatten sie deshalb keinen Widerstand gegen die Gyraner geleistet. Fürst Ascolar war Gerüchten zufolge in Vara vom Kaiser erdrosselt worden, seine Sippe kurz darauf von der Insel geflohen. Warum hätte die Bevölkerung den Anspruch der Suant verteidigen sollen, wo sie ihn doch selbst aus Feigheit aufgegeben hatten?
    Mit dem Einzug der Gyraner war auch die alte Einrichtung aus der Halle verschwunden: die Tafel, an der Fürst Ascolar die Bergwerkseigner aus Sibura empfangen hatte, der goldene Sessel seiner hohen Gemahlin und die Teppiche aus Candacar, die in einem vergangenen Krieg erbeutet worden waren. Tarnac von Gyr hatte alles fortschaffen lassen. Nur ein einziges Möbelstück befand sich in der Mitte der Halle: ein Holzpult. Auf ihm ruhte eine gläserne Karaffe, bis

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