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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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erhob sich ein mächtiges Bauwerk. »Ich habe ihn von Grund auf erneuert. Ihm eine zeitgemäße Form verliehen.«
    Tatsächlich - der Bau glich dem Silbernen Dom, doch Vorhalle und Seitenschiffe waren abgerissen und durch kühne, schräge Mauern ersetzt. Der Turm wurde von Glassäulen flankiert, und das Dach war vergoldet. »Ein wenig überladen«, urteilte Baniter. »Und eine goldene Turmspitze werden die Tathril-Priester kaum gutheißen. Gold ist das Metall der Täuschung; es verzerrt die Kraft einer Quelle.«
    »Gold ist unter den magischen Metallen das mächtigste. Wer den Mut hat, es zu benutzen, kann die Sphäre durchdringen.«
    Vor den Stufen des Doms hatte sich eine Menschenmenge eingefunden. Die Leute krakeelten lautstark und schoben sich hin und her. Als Sardresh und Baniter näher traten, bemerkten sie einen Mann, der an einen Pfahl gefesselt war. Er hatte ein längliches Gesicht, tiefliegende Augen - auch sie aus Gold - und spärliches Haar. Seine Taille war schwammig, der Rücken krumm, und er trug eine schmutzige Priesterkutte. Die Umherstehenden beschimpften ihn, spuckten ihm ins Gesicht oder zerrten an seinen Haaren. Andere schlugen mit Rosenzweigen nach seinen Beinen, die von den Dornen längst zerkratzt waren.
    »Wer ist dieser arme Hund?«
    »Ein Schatten der Vergangenheit«, verriet Sardresh. »Ich sagte es ja: im Verlies leben die Geister fort.« Er drängte den Fürsten in die Richtung des Pfahls. »Unterhaltet Euch mit ihm. Er hat Interessantes zu berichten. Er kennt die Geheimnisse der Sphäre wie kein Zweiter.«
    Baniter schob sich durch die Menge. »Hört auf«, befahl er barsch. »Laßt ihn in Ruhe!«
    »Der Fürst«, raunte einer der Leute. »Ist er es wirklich?«
    »Der Fürst?« Eine Frau kicherte und starrte Baniter an. »Aber welcher? Etwa jener mit den schönen grünen Augen? Dieser Geneder?«
    »Sei still, Weib … alle Geneder haben diese Augenfarbe, grün wie Zindrast. Nun mach ihm schon Platz!« Die Menschen - oder Geister, Baniter war sich nicht sicher - wichen zurück und ließen ihn zu dem Pfahl treten. Der Gefesselte wandte den Kopf.
    »Ein Geneder!« sagte er mit spöttischem Tonfall. »Das ist nun wirklich eine Überraschung! Wie peinlich, daß Ihr mich in einer solchen Lage vorfindet. Wie Ihr seht, lassen diese Trottel ihre Wut an mir aus - obwohl diese einem anderen gelten sollte und nicht mir.«
    »Wie ist Euer Name?« fragte Baniter. »Und warum hält man Euch hier gefangen?«
    »Mein Name …« Der Mann schnaubte auf. »Ich mag ihn nicht aussprechen; es ist viel Schindluder mit ihm getrieben worden. Und warum man mich festhält? Weil ich es wagte, die Wahrheit zu sagen, die Lügen zu enthüllen und den Priestern die Stirn zu bieten.« Trotzig warf er den Kopf zurück. Auf seiner Stirn prangte ein Zeichen; seine Peiniger hatten ihm eine Rose eingeritzt. »Wie viele Jahrhunderte sitze ich hier bereits fest? Das Verlies ist ein tückischer Ort, es läßt niemanden los, den es erst in seinen Krallen hat.«
    Baniter kam ein jäher Gedanke. »Wollt Ihr behaupten, Ihr seid Bathos der Scharfzüngige? Der berüchtigte Ketzer? Der Gründer der Bathaquar?«
    »Nicht so laut«, fluchte der Gefesselte. »Gut, meinen Namen kennt Ihr also … aber nennt mich bitte nicht den Gründer der Bathaquar, ich flehe euch an. Was diese Irren aus meiner Lehre gemacht haben, ist abscheulich.« Baniter versuchte sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. »Nun, ich wollte schon immer mit dem Geist eines so berühmten Mannes sprechen, mit einer solchen Legende, wie Ihr es seid.«
    »Legenden! Bleibt mir vom Hals mit Legenden!« Bathos spuckte aus. Sein Speichel war blutig. »Laßt Euch eines gesagt sein: Wer den Legenden glaubt, macht sich zu ihrem Knecht. Sie werden bewußt in die Welt gesetzt, gezielt weitergetragen und bei Bedarf verändert oder gefälscht. Mit ihnen begründeten Könige ihren Machtanspruch, Priester ihre Meinungshoheit und Zauberer ihre angebliche Befähigung, über die Quellen zu herrschen. Alles ein Netz aus Lügen - und wir sind darin gefangen.«
    »Das ist eine interessante Sichtweise.« Baniter sah sich nach den Menschen um, die mit düsteren Mienen dem Gespräch lauschten. »Die Legenden über Euch sind allesamt recht finster. Ihr habt keinen guten Leumund, Bathos - selbst nach Eurem Tod nicht, wie ich sehe.«
    »Der Tod!« höhnte der Geist. »Legenden sterben nicht; deswegen büße ich seit Jahrhunderten für meine Dummheit, nicht das Maul gehalten zu haben, als die

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