Schattenbrut (German Edition)
hämmerte es in ihrem Kopf. Warum hatte Frau Heilmann Angst vor Tamy? Tamy sei an allem schuld. Was meinte sie damit? Den Mord an Clarissa und Oren? Ihr Magen krampfte sich zusammen. Viele Adjektive, hatte Ursula gesagt. Eine majestätische Welle . Es war greifbar nah. Sie atmete tief und langsam. Warum war Katja in Gefahr? Sie nahm ihr Handy und wählte erneut Katjas Nummer. Das Freizeichen. Ihr Herz klopfte. Es klingelte, bis eine Mailbox dranging. Billy drückte die Verbindung weg.
Ohne, dass sie eine bewusste Entscheidung getroffen hatte, war sie auf die Landstraße Richtung Oberotterbach gefahren.
Gute fünf Minuten später tauchten die Zäune der Koppeln vor einem glühend roten Abendhimmel auf. Kein Pferd war mehr draußen und auch sonst war niemand zu sehen. Zwei Autos standen auf dem Parkplatz. Einer davon ein Fiat. Billys Finger krallten sich um das Lenkrad. Tamy war hier.
Viele Adjektive.
Einen winzigen Moment lang dachte sie darüber nach, die Polizei zu rufen.
Nein. Sie hatte genug angerichtet. Dies hier war ihre Schuld. Ihr Problem. Sie stellte ihr Auto ab, passierte den Stall, dessen Tür geschlossen war, und lief auf das gemütliche Holzhaus zu, durch dessen kleine Fenster Licht schien. Stimmen von drinnen. Weibliche Stimmen. Strom floss durch Billys Glieder. Licht kam auch durch einen Spalt neben der Tür. Sie war nur angelehnt. Sie hielt ihr Ohr an die Ritze.
»Ich will nur reden«, hörte sie Tamy. Sie klang heiser.
»Ich will nicht reden.« Das war Katja. Ihre Stimme war gefährlich kalt.
»Sie haben keine Wahl.«
Ein hasserfülltes Schnauben. »Sie sind eine Mörderin«, fauchte Katja.
Billy zuckte zusammen. Ohne nachzudenken spannte sie ihre Schultern an und stieß mit der Hand die Tür auf. Eine kleine Diele lag vor ihr. Dahinter das Wohnzimmer, in dem die Köpfe von Tamy und Katja zu ihr herum schnellten.
Billy hielt die Luft an.
Tamy hatte eine Waffe in der Hand, die sie auf Katja gerichtet hatte, und starrte Billy an.
Eine Sekunde lang hatte Billy den Eindruck, als wäre die Zeit stehengeblieben. Doch plötzlich holte Katja mit dem Bein aus und trat Tamy in den Bauch. Die Waffe polterte zu Boden. Tamy krümmte sich zusammen. Mit einem Satz hatte Katja die Pistole aufgehoben und rannte auf Billy zu. Billy wich unwillkürlich zurück, ohne Katja aus den Augen zu lassen. Deren Lippen waren geöffnet. Vor Billy blieb sie stehen, die Hand mit der Waffe baumelte herunter.
»Sie ...« begann Katja. Ihre Augen versprühten glühenden Zorn. Dann holte sie mit der freien Hand aus. Wie am Vortag sah Billy eine Faust auf sich zufliegen. Ein Blitz in ihrem Kopf. Stechender Schmerz, Holz, gegen das ihr Rücken prallte, Ein Tosen von Milliarden Sternen. Eine Stimme, die ihren Namen rief. Flug durch die Galaxie. Endlos.
Erleichtert registrierte Billy, dass die Sterne verschwanden. Dass sie noch immer stand. Angelehnt zwar, doch sie stand. Ihre Gesichtsmitte brannte höllisch.
»Billy, bist du okay?«
Billy öffnete die Augen. Sie blinzelte. Tamys Gesicht vor ihr. Kalkweiß. Glutrote Lippen.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja«, presste sie hervor und schloss die Lider wieder. Sie hörte Schritte, die sich entfernten. Atmete tief ein. Hob die Hand zu ihrem Nasenflügel. Es schmerzte, doch sie konnte kein Blut fühlen. Sie richtete sich auf. Öffnete wieder die Augen. Ihr Kopf wurde klarer. Von Weitem das Geräusch eines anfahrenden Motors. Sie sah sich um. Die Tür war offen. Draußen Scheinwerfer, die sich entfernten. Katja und Tamy waren weg. Ihr war schwindelig.
Sie schloss die Tür von innen und zog ihr Handy aus der Manteltasche. Sie zögerte kurz, bevor sie die 110 wählte. Es läutete einmal, dann meldete sich ein Mann der Polizeidienststelle. Im Hintergrund hörte man das Klingeln eines Telefons und mehrere Stimmen. Billy nannte ihren Namen und erklärte knapp, was geschehen war.
»Ist jemand verletzt?«, fragte der Mann routiniert.
»Nein, nicht ernsthaft. Aber es geht hier um zwei Mordfälle aus Emmendingen. Sind Sie darüber informiert?«
»Welche Mordfälle?«
Das Handy klebte nass an ihrem Ohr und Billy merkte, dass dies von ihrem Schweiß kam. »Clarissa Puhlmann und Oren Albrecht. Informieren Sie sich bitte. Die Frau, welche die Waffe hatte, galt bislang nur als Zeugin.«
»Wie ist der Name der Frau?«
»Das sagte ich bereits. Tamara Winkler.«
»Und diese Frau hat keine Waffe mehr?«
»Katja Himmel hat sie an sich genommen.«
»Gut, Frau Thalheimer. Wo genau sind
Weitere Kostenlose Bücher