Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
doch.
„Richte deinem Herrn aus, dass ich erscheinen werde“, sagte er, drückte das Gespräch weg, ohne eine Antwort abzuwarten und gab Joana das Telefon zurück. „Mit etwas Glück“, meinte er, „kann ich dir deinen Schrumpfkopf zurückbringen.“
Er hatte wirklich versucht, Choskeihs Rat, Joana nicht mitzubringen, zu befolgen. Allerdings hatte nie ernst hafter Grund zu der Annahme bestanden, Joana würde dem zustimmen. Mitunter unterschätzte er, wie stur sie sein konnte und letzten Endes hatte sie, das musste er zugeben, erstklassige Argumente. Der Luzi fer hatte die Verbindung zwischen Clerica und Dä mon als gefährlich dargestellt, weil sie so zu viel Macht erreichen würden, doch genau das war der Punkt, der sie vor jedem Fürsten stark machen würde: die potenzielle Macht, der keiner ihrer Gegner etwas entgegenzusetzen hatte. Als Anwärter auf den Thron über den Leichtsinn war es zudem nicht die dümmste Idee, sich leichtsinnig zu geben. Was war leichtsinni ger, als die schwangere Freundin mit in die Hölle zu nehmen? Dazu war ihnen bewusst, dass Nicholas so früh nach der Beschwörung nicht die Kraft haben würde, anderen Mächten zu widerstehen, wenn Joana nicht in der Nähe war und in Form von Befehlen ein greifen konnte. Und schlussendlich stand Joana die Möglichkeit offen, ihre Clerica-Freunde zu Hilfe zu rufen, auch wenn in dem Fall davon auszugehen war, dass auch der Nybbas konserviert wie eine Gurke im Glas enden würde.
Scham und Schande potenzierten sich munter: Er wackelte als Marionette in die Hohe Runde und Joana riskierte Kopf und Kragen, indem sie seine Fäden hielt.
Es gab Erfahrungen, die eigentlich niemand machen musste.
~*~
Das Warten hatte Joana in einen Zustand erschöpfter Schwere getrieben. Sie fühlte sich, als würde schon ein langsames Blinzeln dazu führen, dass sie die Augen nicht mehr öffnen konnte. Sie wagte kaum, sich hin zusetzen, aus Angst, sie würde einschlafen. Während Mary am Laptop E-Mails an ihre Freunde in Berlin schrieb, tigerte sie in den beiden aneinander angren zenden Zimmern auf und ab, schaltete im einen Raum das Radio und im anderen den Fernseher ein und bekam doch nicht einmal im Ansatz mit, was gesendet wurde.
Irgendwann wurde es Mary zu dumm. „Joana, du regst mich auf. Ich kann verstehen, dass du nervös bist, aber diese ziellose Wanderung hier hat doch keinen Zweck. Du machst es nur schlimmer.“
„Weiß ich.“ Sie bemühte sich, nicht zu jammern, leider klangen die beiden Worte nicht so. „Was soll ich denn machen? Nicholas ist schon wieder so lange weg. Er streift ziellos durch die Straßen, ich habe keine Ahnung, was er tut. Was, wenn der Luzifer ihn findet?“
„Hätte der sich auf das Zusammentreffen eingelas sen, wenn er ihn einen Tag zuvor abfangen will? Das glaube ich nicht. Der Luzifer wartet auf morgen.“
Ja, gieß Öl ins Feuer. Natürlich war es überwiegend die Furcht vor diesem Morgen, die sich in Joana bohrte und irgendwo tief unter ihrer Haut Eier legte.
Mary seufzte und klappte den Laptop zu. „Komm“, meinte sie mit sanfter Stimme. „Wir gehen spazieren. Du brauchst frische Luft, dann geht es dir gleich besser.“
Joana hatte zuvor keine Lust gehabt, nach draußen zu gehen, aber nun ließ sie sich nicht lange bitten. Von wirklich frischer Luft konnte zwar keine Rede sein, denn die East Monroe Street, die schnurgerade auf den Lake Michigan zuführte, war stark befahren, aber zumindest boten die weitläufigen Parks zur Linken ein wenig Grün sowie das Geträller der von sich überzeugten Vögel, die sich weder um die eng aneinander gepressten Industriegebäude mit ihren tausend identischen Fenstern noch um die Autos kümmerten. Mary und Joana folgten der Straße, vom blau schimmernden See angezogen, bis zum Jacht hafen , wo eine sanfte Brise Joanas verschwitzte Schlä fen kühlte und ihre Nerven beruhigte. Sie bemühte sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Nur wenige der eleganten, weißen Boote lagen vor Anker, ver einzelt sah man Schiffe auf dem Wasser. Vermutlich hatte man die meisten der Naturereignisse wegen in Sicherheit gebracht. Die Jogger und Radfahrer ließen sich nicht irritieren und auch Spaziergänger mit Kin derwagen und Hunden bevölkerten die Promenade. Auf den Wiesen sonnten sich junge Leute. Mary und Joana schlenderten schweigend am Ufer entlang. Joana gelang es, bewusste Gedanken wie die Wellen, die gegen den Kai stießen, kommen und gehen zu lassen, ohne etwas
Weitere Kostenlose Bücher