Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
deinem Herrn“, sagte sie mit fester Stimme. Wider Erwarten zeigte der Diener keinerlei Anzeichen von Erstaunen. Sie hatte damit gerechnet, weil es sicher nicht offen bekannt war, dass der erste Fürst hier lebte. Doch entweder war dieser Kerl ihr gegenüber noch viel tumber , als er aussah, oder … man erwartete sie bereits.
„Sehr gern“, sagte er und besaß den Nerv, einen künstlichen britischen Akzent aufzusetzen. „Zuvor ei ne Information für Sie: Meine Herrin umgibt sich mit Dämonen unterschiedlicher Ränge sowie Menschen. Einige davon werden Sie hier zu Gesicht bekommen, weit mehr werden Sie zu Gesicht bekommen. Jeder Einzelne hat Sie im Auge und ist angewiesen, im Be darfsfall für die Herrin zu sterben. Wir bitten darum, jegliche Aktionen zu unterlassen, die in beliebiger Weise als Angriff interpretiert werden können.“
In ihrer Sprache: Versuch es nicht erst, du kommst nicht weit.
„Selbstverständlich“, sagte Joana. „Ich habe nicht das geringste Interesse an einer Auseinandersetzung.“ Und das bedeutete übersetzt: Wir werden sehen.
Der Diener lächelte huldvoll. „Weiterhin sollen Sie wissen, dass wir über Ihren Zustand“, er sprach das Wort aus, als bezeichnete es einen Parasiten statt eines Babys, „informiert sind.“
Ach ja. Joana nickte das ab, als wäre es ihr egal. Sie erinnerte sich: Clerica verloren während der Schwan gerschaft ihre Talente, aber die ihren waren ohnehin kaum nützlich. Sie konnte nur darauf hoffen, dass dieses Naturgesetz für Nekromanten und Mischlinge, wie sie einer war, nicht galt. Die Liste dessen, worauf sie hoffen musste, war unterdessen recht unübersicht lich geworden, dagegen stand jedoch eine sehr über zeugende Spalte mit dem, was es zu verlieren galt: nämlich nichts.
Also auf in den Kampf.
Der Diener führte sie in ein riesiges, modern ausge stattetes Wohnzimmer, das mit Antiquitäten stilvoll ergänzt wurde. In einer Vitrine war eine Bibel ausge stellt. Joana sah im Vorbeigehen näher hin: Hier den gestohlenen Codex Sinaiticus vorzufinden, passte ins Bild. Und Bingo, unter dem Buch fand sich ein Hin weis mit dem Datum der Erstveröffentlichung: 313 nach Christus.
Die Schnitzereien in der kuppelartigen Kalkdecke waren der einzige Hinweis darauf, dass man sich in diesem Haus mitten unter Dämonen befand – sie zeigten in unschuldigem Weiß Szenen aus Dantes Weg durch die Höllenkreise.
Ebenso unschuldig weiß war das Kleid, dass die junge Frau trug, die Joana an einem Tisch sitzend erwartete.
Hallo Lady, das ist ein Abendkleid und an einem Mittwoch-Vormittag definitiv overdressed. Auch ihre Frisur schien der Szenerie nicht recht angepasst; die langen, blonden Locken waren ihr steif wie eine Mar kise vor die linke Gesichtshälfte gestyl t . Joana ver kniff sich jeden Kommentar. Auch ein Dämonenfürst irrte mal in der Kleiderwahl – hey, das beruhigte ihre Nerven gleich erheblich. Das Ding vor ihr war nicht unfehlbar. Wunderbar. Ganz fabelhaft, würde Mary sagen. Wer weiß, vielleicht hatte die Dame das Kleid nicht an diesem Morgen angezogen, sondern am Abend zuvor überhaupt nicht ausgezogen. Dämonen schliefen nicht zwangsweise und der Lady stand mehr als eine durchzechte Nacht ins Gesicht geschrieben. Um ehrlich zu sein, sah sie mehr als übernächtigt aus. Sie war nicht direkt durchsichtig wie ein Gespenst, aber dazu fehlte nicht viel. An Hals, Kinn, Stirn und Schläfen schimmerte jede Ader durch und ihr Fleisch schien unter der Haut zu leuchten wie eine Flamme unter perlweißem Pergamentpapier.
„Ich begrüße dich“, ließ die Lady sich schließlich zu drei Worten herab. Ihre Stimme war freundlich. Fast hätte Joana sie als überraschend sanft bezeichnet, doch im Grunde überraschte sie bei diesen Dämonen überhaupt nichts mehr.
„Da du an der Tür nach mir verlangt hast, gehe ich davon aus, dass du weißt, wer ich bin.“
Joana nickte. Ihre Skepsis wuchs. Wussten die, dass sie kommen würde? Woher? War das gut? Sicher nicht.
„Wie schön, dann sei so gut und stell dich mir vor. Weder kenne ich deinen Namen noch weiß ich, warum du zu mir kommst.“
Das war glatt gelogen. „Ich bin Joana Ânjâm“, sagte sie. Die Worte verließen ihren Mund mit einem arabi schen Klang, der sich ungewollt eingeschlichen hatte. So betonte Nicholas den Namen. „Und ich bin gekommen, weil ich vermute, dass du etwas in deinem Haus hast, das dir nicht gehört.“
„Etwas, das dir gehört, nehme ich an.“
Joana schüttelte den Kopf,
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