Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
hast du mit uns vor?«, wollte die Frau wissen.
»Ihr beide geht nach Roadapple«, erklärte Aydrian. »Ich werde euch hinbringen und euch dann alleine ins Dorf gehen lassen, wo ihr euch den Bewohnern ergebt. Ihr werdet euch schuldig bekennen, dieser Bande von Straßenräubern anzugehören; wie ihr eure Rolle innerhalb der Bande schildert, soll mich dabei nicht weiter interessieren. Vielleicht bringen sie euch um, vielleicht lassen sie auch Gnade walten. Auch das interessiert mich nicht.«
»Wie großzügig«, brummte der Mann, aber Aydrian brachte ihn mit einem zornigen Blick zum Schweigen.
»Alles, was ich von euch verlange, ist, dass ihr die Einwohner von Roadapple an diesen Ort führt und ihnen erklärt, wer ihr Dorf vor den Untaten eurer Mörderbande gerettet hat.«
»Und wer bist du?«, wollte die Frau wissen.
»Sagt ihnen, es sei Nachtfalke gewesen, der Hüter von Festertool.«
Die Frau wollte schon verächtlich schnauben, als Aydrian mit einer solchen Plötzlichkeit vor ihrem Gesicht auftauchte, dass ihr der Atem stockte. »Entweder du tust, was ich dir sage, oder du bist tot«, versprach er ihr und stieß sie vor sich her, in Richtung Dorf.
»Und wo steckt euer fehlender Kumpan?«
»Du hast uns alle erwischt«, erwiderte der Verwundete, woraufhin ihm Aydrian einen Tritt versetzte, der ihn der Länge nach in den Staub schickte; er brüllte vor Schmerzen, als seine aufgerissene Schulter über den Boden schrammte.
»Wo steckt euer letzter Kumpan?«, wiederholte Aydrian.
Die Frau bedachte ihn mit einem kalten, hasserfüllten Blick. »Er kundschaftet die Gegend aus«, antwortete sie. »Er kann überall stecken.«
Aydrian lächelte dünn. Überall, na klar; wahrscheinlich befand er sich auf dem Weg, den Aydrian gekommen war, denn jemand hatte die Bande vor seinem Kommen gewarnt.
Seine beiden Gefangenen im Schlepptau, verließ er seinen eingeschlagenen Kurs und ging denselben Weg zurück, der ihn zu den Banditen geführt hatte. Und tatsächlich, kurz darauf erspähte er das letzte Bandenmitglied. Er hockte in einem Baum; offensichtlich hatte er die Absicht, Aydrian aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Also ging der junge Hüter einfach geradeaus weiter und lief, die Frau vor sich herstoßend, und den Mann hinter sich herzerrend, genau unter dem Baum hindurch.
Der Schurke sprang, doch Aydrian bewegte sich bereits, als er zum Sprung ansetzte, trat blitzschnell einen Schritt zurück und stieß den Verwundeten in die Sprungbahn seines Gefährten. Die beiden stürzten in einem Knäuel zu Boden, woraufhin Aydrian an den beiden vorbeilief und die Frau mit einem heftigen Stoß zu Boden schickte. Dann lief der Hüter zum Baum, rannte mit drei schnellen Schritten am Stamm hinauf, warf sich rücklings in einen Überschlag, streckte blitzschnell seinen Körper, traf den heimtückischen Angreifer mit einem Doppeltritt gegen Brust und Gesicht und warf ihn abermals zu Boden.
Kurze Zeit später spazierten drei Banditen in das Dorf Roadapple und erzählten die Geschichte von Nachtfalke, dem Hüter von Festertool.
Wie Aydrian aus seinem Versteck in einem weit entfernten Baum beobachten konnte, staunten die Bewohner des ruhigen Dorfes nicht schlecht, als sie die toten Straßenräuber und den Leichnam eines Riesen fanden.
Trotz gewisser quälender Gedanken, die ihm einfach keine Ruhe ließen, konnte sich der Hüter ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er wusste, er war auf dem besten Weg, sich unsterblich zu machen.
15. Augenzwinkern
Jilseponie lebte sich rasch an König Danubes Hof ein, auch wenn ihr nicht immer ganz wohl dabei zumute war. Der Palast selbst, mit seinen kunstvoll gearbeiteten Wandbehängen und den großartigen Statuen, die jedes Zimmer zierten, war von grandioser Pracht. Reliefschnitzereien umrankten jede Tür, und auf großen Wandbildern waren die bedeutendsten Ereignisse der Geschichte des Bärenreiches dargestellt. Zudem besaß der Palast zu Jilseponies großer Freude eine Vielzahl geheimer Türen und Gänge, die in Krisenzeiten zur Flucht oder auch zum Ausspionieren benutzt wurden – was in diesem Palast der niemals endenden Intrigen offenbar nichts Ungewöhnliches war.
Leider blieb ihr für ihre Erkundungen nicht so viel Zeit, wie sie gern gehabt hätte, denn Danube bestand darauf, dass sie jeden Morgen an seiner Seite saß, wenn er seinen Staatsgeschäften nachging, was bedeutete, dass er sich die Streitereien zwischen den Bürgern Ursals und die ewig gleichen – und stets übertriebenen –
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