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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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Berichte aus den entlegeneren Provinzen vortragen ließ.
    Da man jedoch in Zeiten des Friedens und des Wohlstands lebte, wurde der Großteil der höfischen »Geschäfte« nahezu täglich zur Abendzeit erledigt, wenn sich der gesamte Adel zu Bankett und Tanz einfand. Für Jilseponie erwiesen sich diese angeblichen Feste als der anstrengendste Teil des Tages überhaupt; es waren geckenhafte Darbietungen voller Prunk und Gehabe, bei denen kichernde Hofdamen jedem Adligen, der ihren Weg kreuzte, ob verheiratet oder nicht, schöne Augen machten. Und nicht gerade wenige wollüstige Adlige wichen vom Pfad der Tugend ab, um den augenzwinkernden Kurtisanen den ganzen Abend hindurch nachzusteigen – oftmals in abseits gelegene Gemächer, und oft mehrfach und mit wechselnden Frauen.
    Jilseponie empfand für diese gezierten und lüsternen Spielereien nichts als Abscheu. Aber statt die Adligen zu verurteilen, empfand sie eher Mitleid mit ihnen. Denn sie hatte mit Elbryan die Liebe, die wahre Liebe, kennen gelernt, und die Vorstellung, einer von ihnen könnte seinen Treueschwur brechen, erschien ihr geradezu absurd.
    Trotzdem gab sie sich größte Mühe, dies alles mit Gelassenheit hinzunehmen. Es war nicht ihre Welt – ganz bestimmt nicht –, und sie konnte nicht so tun, als verstünde sie nach nur wenigen Wochen im Schloss, was das gesellschaftliche Leben in Ursal in Bewegung hielt. Sie war aus guten Gründen hierher gekommen, aus persönlichen, aber auch, weil sie den Wunsch verspürte, etwas für die Bevölkerung zu tun; daher war sie bemüht, die Geschehnisse mit einer gewissen Unvoreingenommenheit und Amüsiertheit zu betrachten.
    Sofern dies möglich war.
    Bei einem dieser Abendbanketts begab sich Jilseponie – Danube wurde gerade von einer Schar kichernder Hofdamen mit Beschlag belegt – zum Brunnen des süßen Nektars an der Seite des Saales. Sie tauchte ihren Pokal ein und beobachtete, daran nippend, das Fest aus einiger Entfernung.
    »Ihr habt Euch also für das große Los aufgespart?«, ließ sich eine volle, ein wenig mürrisch klingende Stimme neben ihr vernehmen. Als sie sich daraufhin umdrehte, stand dort Herzog Targon Bree Kalas in seiner königlichen Allheart-Uniform, seinen großen, federgeschmückten Helm lässig unter den Arm geklemmt. »Was für ein gerissener Schachzug.«
    Jilseponie bedachte ihn mit einem misstrauischen Blick, sehr darum bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Kalas war am Tag ihrer Ankunft aus Ursal abgereist – in einer offiziellen Angelegenheit, wie es hieß –, und Jilseponie hatte gehofft, er werde lange, sehr lange fortbleiben. Damals in Palmaris, Elbryan war kaum unter der Erde, hatte er versucht, sie für sich zu gewinnen, und sie hatte seine Annäherungsversuche abgewiesen. Das hatte er ihr nie verziehen. In Wahrheit aber wusste Jilseponie, dass sie, selbst wenn sie diese etwas unangenehme Erinnerung nicht teilen würden, wohl schwerlich Freunde geworden wären. Sie hielt den Mann für einen Aufschneider und sein ganzes Gehabe für geckenhafte Angeberei. Womöglich hatte der Herzog allen Grund, stolz zu sein – die Liste seiner Talente beim Regieren und im Kampf war umfassend –, aber Jilseponie hatte noch nie viel für diese Art von Aufgeblasenheit übrig gehabt, Heldentaten hin oder her. In ihren Augen vergeudeten Kalas und viele der anderen Adligen unangemessen viel Zeit damit, sich über andere zu erheben. Ein durch und durch menschlicher Zug, wie sie sich eingestehen musste, denn hatte das nicht jeder irgendwann schon mal getan? Trotzdem staunte Jilseponie immer wieder, welches Ausmaß dieses zwanghafte Bedürfnis, den anderen immer ein Stück voraus zu sein, an König Danubes Hof angenommen hatte.
    »Hätte ich gewusst, dass Ihr es auf den König abgesehen habt, hätte ich mich zweifellos anders verhalten, Mylady«, bemerkte der Herzog mit einer knappen, heuchlerischen Verbeugung. Und auch sein Ton verriet, was er wirklich empfand: eine tiefgreifende Abscheu gegen Jilseponie, möglicherweise sogar gegen Danube.
    Jilseponie fiel es nicht übermäßig schwer, den Mann zu durchschauen, denn ihr war klar, dass sein Handeln allein von Stolz bestimmt war. Vielleicht wäre er damals in Palmaris tatsächlich anders aufgetreten, hätte er gewusst, dass Danube Jilseponie begehrte; Jilseponie war allerdings überzeugt, dass er sie dann nur noch hartnäckiger umworben hätte. Eine Frau ins Bett zu bekommen, war für Herzog Kalas eher eine Frage von Selbstsucht

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