Schattenelf - 2 - Das Turnier
an mir rächen, wenn auch um einen sehr hohen Preis.«
Danube, das Gesicht zu einer Maske völliger Verständnislosigkeit erstarrt, schüttelte nur den Kopf.
»Sie hatte sich längst aufgegeben«, versuchte Jilseponie zu erklären, obwohl sie selbst kaum nachvollziehen konnte, welche Verdrehung der Wirklichkeit Constance zu einer solchen Tat verleitet haben mochte. »Sie wusste, dass sie Eure Gunst niemals zurückgewinnen konnte und erst recht nicht den Thron, also beging sie dieses Verbrechen, um den Verdacht auf mich zu lenken. Sie wollte mich vernichten, indem sie sich selbst vernichtete.«
König Danube, der mittlerweile vor ihr kniete, sah zu ihr hoch.
Das Ganze war so vollkommen absurd, dass Jilseponie einen Moment lang lächelte. Dann legte sie die Hände ihres völlig verwirrten Gemahls an ihre Lippen und bedeckte sie mit zärtlichen Küssen.
Kurz darauf verließ Danube, das Gesicht tränenüberströmt, der Blick starr vor Zorn und Fassungslosigkeit, auf unsicheren Beinen ihr Gemach.
»Sie hat es nicht getan«, sagte König Danube an Kalas gewandt, als die beiden vor dem Haupttor des Schlosses standen, um beim Bau der hohen, hölzernen Plattform und der Falltür zuzusehen, durch die schon bald eine überführte Mörderin in den Tod stürzen würde. Obwohl die Verhandlung erst in einigen Tagen stattfinden würde, hatten viele Straßenhändler bereits am äußeren Rand des Platzes Stellung bezogen, um sich ein Fleckchen zu sichern, auf dem sie ihre Waren an die Massen verkaufen konnten, die man zu diesem Spektakel, dem Prozess gegen Königin Jilseponie, erwartete.
Danube betrachtete sie voller Abscheu, enthielt sich jedoch jeden Kommentars. Er wusste, dass das Landvolk in Scharen auf den Platz strömen würde, die weitaus meisten von ihnen in der Hoffnung, einer Verurteilung und anschließenden Hinrichtung beizuwohnen. Es entsprach ganz einfach ihrem Naturell. Im Grunde ging es nicht mal um Jilseponie selbst, doch es erfüllte den einfachen Mann mit Genugtuung, zu sehen, dass sich selbst die Mächtigen dem starken Arm des Gesetzes beugen mussten. Es ging nicht um Jilseponie, sondern um das Schauspiel, das Spektakel, die Hinrichtung, die sich für immer in die Erinnerung der Zuschauer eingraben würde.
»Sie hatte doch überhaupt keinen Grund …«
»Als Constance Ursal verließ, tat sie es einzig deswegen, weil Eure Gemahlin, die Königin, sie verbannt hatte«, erwiderte Herzog Kalas. »Wusstet Ihr das?«
Ein fragender Ausdruck erschien auf Danubes Gesicht, als er den Herzog ansah.
»Jilseponie hatte herausgefunden, dass Constance ihr heimlich Kräuter verabreichte, die Kurtisanen zur Schwangerschaftsverhütung benutzen«, erklärte Kalas. »Deswegen hat sie Constance fortgejagt. Und Ihr habt sie zurückgeholt. Wie es scheint, war das mehr, als Euer Weib ertragen konnte.«
Damit hatte er Danube zweifelsohne in Verwirrung gestürzt, doch aller äußerlichen Unsicherheit zum Trotz blieb der König innerlich gefasst. »Sie hat es nicht getan«, wiederholte er mit größerem Nachdruck. »Sie würde so etwas niemals tun! Das Ganze ist Wahnsinn; ich werde nicht zulassen, dass es zu diesem Prozess kommt. Pfeift Eure Henker zurück, Herzog Kalas!« Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen, doch Kalas packte ihn am Arm und weigerte sich loszulassen.
»Das könnt Ihr unmöglich tun«, sagte der Herzog.
»Ich weiß, dass meine Frau unschuldig ist«, erwiderte Danube.
»Was Ihr wisst, ist gegenüber dem Gesetz ohne Belang«, entgegnete Kalas. »Gegenüber dem Gesetz Eurer Vorväter, das hochzuhalten Ihr geschworen habt, als Ihr dem Volk des Bärenreiches Euren Eid geleistet habt.«
»Ich bin der König«, erwiderte Danube. »Ich werde das nicht zulassen.«
»Und was will König Danube der nächsten Bäuerin erzählen, die vor Gericht erscheint, um die Unschuld ihres Mannes zu beteuern, mit dem Argument, sie wisse, ihr Mann könne das Verbrechen, dessen er angeklagt ist, gar nicht begangen haben? Wird König Danube, der Gerechte, den Prozess gegen diesen Bauern genauso niederschlagen?«
»Passt auf, was Ihr sagt«, knurrte Danube warnend.
»Und Ihr solltet auf Euer Königreich aufpassen«, erwiderte Kalas, noch immer nicht bereit, klein beizugeben. »Die Königin steht unter Anklage – die Beweise sind erdrückend. Das könnt Ihr nicht einfach per Dekret aus der Welt schaffen, jedenfalls nicht, wenn Ihr Euch nicht der Treue Eurer Untertanen berauben und sie zur offenen Rebellion auffordern wollt!
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