Schattenelf - 2 - Das Turnier
verdrießlich. »Sie starb im Kindbett –«
»Nein, das tat sie keineswegs«, fiel ihm De’Unnero ins Wort.
Aydrians Gesicht erstarrte zu einer steinernen Maske.
»Ich erhielt die Bestätigung dafür während unseres Aufenthalts in Dundalis«, log De’Unnero, der nicht wollte, dass Aydrian herausfand, dass er ihn von Anfang an belogen hatte, und sei es nur durch Verschweigen. »Es verhält sich genau so, wie ich vermutet habe und wie es mir aus verlässlicher Quelle bestätigt wurde. Dein Vater, Nachtvogel, hatte nur eine einzige Geliebte, eine einzige Gemahlin, und diese Frau kam keineswegs bei deiner Geburt ums Leben, obwohl der Welt dadurch bestimmt eine Menge Elend erspart geblieben wäre.«
Die harten Worte ließen Sadye innerlich zusammenzucken.
»Siehst du das Schloss dort drüben, Junge?«, wiederholte De’Unnero seine Frage. »Dort lebt deine Mutter, Jilseponie, die Königin des Bärenreiches.«
»Was?«, rief der Junge völlig verdattert. Er wankte so sehr, dass er beinahe vom Pferd gefallen wäre.
»Jilseponie, einst die Gemahlin Elbryans und jetzt die Königin des Bärenreiches«, erklärte De’Unnero. »Sie war es, die dir auf einem Feld vor den Toren von Palmaris das Leben geschenkt hat. Daran besteht nicht der geringste Zweifel.«
»Aber Lady Dasslerond –«
»Hat dich angelogen«, beendete De’Unnero den Satz an seiner Stelle. »Überrascht dich das etwa?«
Aydrian wollte etwas erwidern, hielt dann jedoch inne, setzte abermals an, schließlich schüttelte er den Kopf, stöhnte auf und fing leise an zu weinen.
»Eins kann ich dir versichern, du hast durch deine Unwissenheit nichts verpasst«, fuhr De’Unnero fort.
Aydrian fuhr wütend zu ihm herum, und Sadye, die ihr Pferd hinter den jungen Hüter gelenkt hatte, bedachte De’Unnero mit einem strafenden Blick, schüttelte langsam den Kopf und versuchte dem ehemaligen Mönch klarzumachen, dass er dem Jungen zu viel auf einmal zumutete.
»Aber lassen wir das«, sagte De’Unnero unvermittelt und warf die Hände in die Luft. »Sieh dir das Schloss an, junger Krieger. Schloss Ursal, das Zuhause deiner Mutter, Jilseponie. Sieh es dir genau an und glaube fest daran, dass es eines Tages dir gehören wird, Aydrian.«
Der Hüter hielt an seiner wütenden Haltung und an seinem beleidigten Gesichtsausdruck fest, trotzdem war nicht zu übersehen, dass bei diesen verheißungsvollen Worten ein Leuchten in seinen Augen aufblitzte.
»Du wirst schon noch erleben, wie Jilseponie dich zum König ernennt«, versprach ihm De’Unnero. »Und wie sie dir erklärt, warum sie sich vor all den Jahren so verhalten hat – wenn du erst in Amt und Würden bist und sie dir einfach die Wahrheit sagen muss. Aber bis dahin musst du noch viel lernen, sowohl über die Welt als auch über Jilseponie«, fuhr De’Unnero fort. »Und ich werde derjenige sein, der es dir beibringt. Ich werde dir alles über Königin Jilseponie erzählen.«
Er bedeutete den anderen, ihm zu folgen, und schlug einen Weg ein, der sie um die südlichen Außenbezirke der riesigen Stadt führen würde. Marcalo De’Unnero hielt Wort; in den nächsten Tagen, während die drei sich einen Weg durch die weite, sanft geschwungene Hügellandschaft des südlichen Bärenreiches bahnten, erzählte er Aydrian tatsächlich von Jilseponie. Doch im Gegensatz zu seinen Geschichten über Aydrians Vater, in denen er von Elbryan stets voller Hochachtung gesprochen und ihn respektvoll einen würdigen Gegner genannt hatte, waren seine Ansichten über Jilseponie alles andere als schmeichelhaft. Nein, De’Unnero sprach in höchst zynischer und boshafter Weise von der Frau, behauptete, sie verhalte sich im Kampf nicht ehrenhaft, sondern hinterhältig, und machte sogar Andeutungen gegenüber Aydrian, sie habe ihn nach der Geburt wahrscheinlich einfach im Stich gelassen.
»Wenn ich dich so reden höre, möchte ich fast glauben, Jilseponie war dir noch verhasster als Nachtvogel«, bemerkte Sadye, als sie an jenem Abend, nachdem sie Aydrian Feuerholz sammeln geschickt hatten, unter sich waren und ihr Lager aufschlugen. »Und was du als hinterhältig im Kampf bezeichnet hast, war nichts anderes als der Einsatz ihrer magischen Steine, hab ich Recht? Was wohl kaum etwas anderes ist als die Tigertatze, derer ein gewisser Marcalo De’Unnero sich gern bedient.«
De’Unnero lachte ihr ins Gesicht. »Der Junge darf sich auf keinen Fall zu seiner Mutter hingezogen fühlen«, erklärte er. »Die Tatsache, dass er der Sohn
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