Schattenelf - 2 - Das Turnier
dass ein Bursche wie Aydrian mit seinen Heldentaten hinter dem Berg hält – oder aber das Schicksal hat ein Einsehen und der Junge kommt irgendwie ums Leben.«
»Harte Worte«, sagte Bradwarden.
Dasslerond bedachte ihn abermals mit einem unverbindlichen Blick; ihre Gleichgültigkeit war von einer Kälte, die Bradwarden unmissverständlich vor Augen führte, wie tief ihr Hass auf Aydrian saß, und die dem Zentaur ein Frösteln über den Rücken jagte. »Wir hatten gehofft, ihn hier draußen anzutreffen«, sagte sie.
»Er ist längst nicht mehr hier.«
»Ist vielleicht auch besser so, jedenfalls für uns«, räumte Dasslerond ein, und wieder stutzte Bradwarden, denn in diesem Augenblick ging ihm auf, wie stark und mächtig dieser abtrünnige Hüter sein musste.
»Wir möchten Euch lediglich darum bitten, Euch klug zu verhalten und keinem etwas zu erzählen«, fuhr Dasslerond fort. »Solltet Ihr Gelegenheit haben, Jilseponie zu sprechen, so gehe ich davon aus, dass Ihr nichts über das Kind verlauten lasst.«
»Ihr verlangt eine Menge.«
»Wäre Euch ein Krieg zwischen meinem Volk und dem Bärenreich lieber?«, fragte Lady Dasslerond. »Wer kann schon vorhersagen, wie Königin Jilseponie reagiert?«
Bradwarden glaubte Jilseponie zwar gut genug zu kennen, um eine solche Reaktion bei ihr ausschließen zu können, trotzdem musste er zugeben, dass Dasslerond nicht völlig Unrecht hatte. Der Zentaur hatte sich viele Jahre lang weitgehend aus der Politik und den Intrigen der Menschen herausgehalten und glaubte mittlerweile mit dieser Handlungsweise besser zu fahren. Schließlich einigte er sich mit Dasslerond und versprach, ein wachsames Auge auf dieses Gebiet zu werfen und sie zu informieren, sobald sich Aydrian, dieser junge Bursche namens Nachtfalke, wieder blicken ließ.
Später verabschiedete sich der Zentaur von der Elfenführerin und ihrem Gefolge und streifte durch den Wald. An jenem Abend setzte Bradwarden oft seine Flöte an die Lippen, um seine berückenden Lieder anzustimmen, brachte aber kein einziges Mal den Mut auf, auch nur einen Ton zu spielen.
Es schien, als sollte der Frieden des Waldes ungestört bleiben; mit dem Frieden in seinem Herzen jedoch war es vorbei.
Er wanderte zu Elbryans Grab und verbrachte viele Stunden im Gedenken an seinen alten Freund.
Und hoffte.
5. Auf der Straße nach Ursal
»Ich halte es für besser, wenn wir die Stadt umgehen«, sagte De’Unnero an Sadye gewandt, nachdem sie den Gipfel eines Hügels erstiegen hatten und die riesige Stadt Ursal mit den zahllosen Segeln jenseits der Hafenanlagen und das mächtige Schloss mitsamt der dem Wasser zugewandten Abtei vor sich sahen.
»Du hast Angst, Aydrian könnte hören, wie jemand über seine Mutter, die Königin, redet«, stellte Sadye fest, woraufhin die beiden sich zu Aydrian und Symphonie umdrehten, die soeben ein Stück hinter ihnen den Wasserlauf überquerten.
»Ich habe Angst, er könnte etwas aufschnappen, das er in den falschen Hals bekommt«, erklärte De’Unnero. »Ich denke, er ist jetzt so weit, dass er die Wahrheit erfahren kann, aber nicht all die vor Bewunderung triefenden Lügen, mit denen diese Wahrheit in den Straßen von Jilseponies Stadt zwangsläufig durchsetzt sein wird.« Er sah sich abermals nach Aydrian um. »Komm her, Junge«, rief er. »Komm her und wirf einen Blick auf die prächtigste Stadt der Welt.«
Aydrian brauchte Symphonie nicht anzutreiben; der prachtvolle Hengst schlug ganz von allein ein schnelleres Tempo an, als der Weg zu steigen begann. Das ehrfürchtige Staunen in Aydrians Gesicht war nicht zu übersehen, als auch er, mit großen Augen und einem strahlenden Lächeln, Ursal erblickte. Ohne nachzudenken, drängte er Symphonie weiterzugehen, doch De’Unnero schnappte sich die Zügel des Pferdes und hielt ihn zurück.
»Reiten wir denn nicht in die Stadt hinein?«, fragte Aydrian erstaunt.
»Jedenfalls nicht sofort«, erwiderte De’Unnero. »Wir haben östlich von hier etwas zu erledigen. Etwas Wichtiges. Es wäre zurzeit nicht gerade klug, wenn wir uns in Ursal blicken ließen.«
Die letzten Worte ließen Aydrian aufhorchen, und er sah den ehemaligen Mönch fragend an.
»Siehst du das Schloss?«, fragte ihn De’Unnero.
»Wie könnte ich es übersehen?«, erwiderte Aydrian grinsend.
»Erzähl mir von deiner Mutter«, forderte De’Unnero ihn auf, und Aydrians Lächeln erlosch.
»Ich weiß nichts von ihr, nicht einmal ihren Namen«, erwiderte der junge Hüter
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