Schattenelf - 2 - Das Turnier
Danube. »Wenigstens für einen Teil des Jahres, damit sie ihre Pflichten als mögliche Thronfolger kennen lernen.«
»Aber ja, natürlich«, antwortete Jilseponie, um Begeisterung bemüht. Schließlich hatte sie persönlich nie etwas gegen Merwick und Torrence gehabt; obwohl sie sie weder besonders gut kannte noch ihre Eignung als Anwärter auf den Thron einzuschätzen vermochte, hatte ihr keiner der beiden jemals Anlass gegeben, von dieser Vorstellung Abstand zu nehmen.
Überraschenderweise schien ihre begeisterte Zustimmung Danubes Laune keineswegs zu verbessern.
»Was meinst du, wäre es besser, wenn ich dich als Nachfolgerin benennen würde?«, fragte er sie aus heiterem Himmel. »Nach Midalis vielleicht, aber noch vor Merwick und Torrence?«
Jilseponie verzog das Gesicht und ging fieberhaft sämtliche Ablehnungsgründe durch, die ihr über die Lippen sprudeln wollten. »Wie kommst du nur auf eine solche Idee?«, fragte sie.
»Du bist die Königin«, antwortete Danube schlicht; endlich hob er doch den Kopf und sah seine Frau an.
»Nein«, erwiderte sie entschieden. »Ich möchte auf keinen Fall tiefer in die politischen Machenschaften Ursals eingebunden werden. Mein Leben ist auch so schon kompliziert genug –«
»Sorgenvoll genug, meinst du wohl«, warf Danube ein.
Jilseponie versuchte nicht einmal zu widersprechen. »Meine mögliche Inthronisierung war nie Teil unserer Abmachung, weder vor meiner Ankunft in Palmaris noch danach. Ich sehe keinen Grund, an der gültigen Vereinbarung – einem feierlichen Schwur, den du deinem Bruder und den anderen Adligen gegenüber geleistet hast und der in eine völlig andere Richtung zielt – etwas zu ändern. Wenn du jetzt etwas veränderst, wenn du deine Meinung und damit die konventionelle Thronfolge änderst, wäre das ein offener Vertrauensbruch gegenüber vielen am Hof, von denen eine Menge mich bereits jetzt als ihre Feindin betrachten.«
»Vielleicht hat der Hofstaat mein Vertrauen nicht verdient«, erklärte Danube.
Wieder hielt Jilseponie inne, um seine überraschende Äußerung zu verdauen. »Ich möchte dir nichts vormachen«, sagte sie schließlich. »Falls sich bei unserem nächsten großen Fest ein Spalt mitten im großen Ballsaal auftun und die Hälfte deines höfischen Gefolges in einem bodenlosen Schlund versinken sollte, wäre ich die Letzte, die den Verlust beklagen würde. Aber ich bin nicht hergekommen, um den Hof von Ursal in seinen Grundfesten zu erschüttern, und ich möchte auch nicht in diese Rolle gedrängt werden. Und ich möchte niemals herrschende Königin sein.«
»Aber das ergibt sich doch alles einfach aus der schlichten Tatsache, dass du hier an meiner Seite bist!«, schrie Danube sie unvermittelt an. »Den Hof spalten?«, ahmte er sie ungläubig nach. »Hast du das nicht längst getan? Habe ich es nicht getan, indem ich dich hierher geholt habe? Wo ist denn Constance? Wo ist Kalas?«
»Kalas?«, wiederholte Jilseponie; sie hatte weder etwas von dem Zerwürfnis zwischen König und Herzog gehört noch von Kalas’ Plänen, Ursal zu verlassen. Danube schien sie jedoch gar nicht zu hören.
»Vielleicht war es ein Fehler, dich herzuholen, denn verglichen mit dir und den Gepflogenheiten der Nordlande erscheint das Leben hier bei Hofe wirklich blass und sogar in meinen Augen niederträchtig, obwohl ich in exakt diesen Verhältnissen groß geworden bin«, fuhr Danube unbeirrbar fort. »All deine Ideale, deine wundersamen Vorstellungen von Freundschaft … sie können gegen die Tatsachen des Lebens hier einfach nicht bestehen.«
» Meine Ideale?«, wiederholte Jilseponie. »Teilst du sie etwa nicht? Was ist denn mit unseren gemeinsamen Zeiten in Palmaris? Was mit deinem Angebot – deiner Entscheidung –, mich hierher zu holen? Glaubst du, das war ein Fehler?«
»Mir war nicht bewusst, wie tief –«
»Wie seicht es an deinem Hof zugeht«, fiel ihm Jilseponie ins Wort. »Welch eine Ironie, aber die haben weder ich noch du zu verantworten.«
Danube sah ihr fest ins Gesicht. »Es geht das Gerücht, du hättest Kräuter zu dir genommen, die gleichen Kräuter, die auch Kurtisanen benutzen, um eine Schwangerschaft zu verhüten«, sagte er.
Wie gern hätte Jilseponie ihm gleich hier und jetzt alles erzählt, wie gern hätte sie ihm von Constance und ihrer Verschwörung berichtet, die Königin nicht nur unfruchtbar zu machen, sondern sie sogar aus dem Weg zu räumen! Vielleicht war es falsch gewesen, Constance einfach so, ohne
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