Schattenelf - 2 - Das Turnier
bewusst. Wäre ich jemals nach Palmaris gegangen, um dort als Baron zu dienen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, selbst darüber zu entscheiden?«
König Danube zuckte nicht mit der Wimper.
»Merwick und Torrence stehen in der Erbfolge der Krone«, sagte Kalas. »Merwick gleich nach Eurem Bruder, der in einem wilden Landstrich lebt, und Torrence unmittelbar nach ihm. Sehr wahrscheinlich wird einer von beiden eines Tages zum König des Bärenreiches gekrönt werden. Oder sollte ich mich da etwa irren?«
Danube wandte den Blick ab.
»Die beiden werden einen vortrefflichen König abgeben, wenn sie so weit vom Hof und von ihrem Vater entfernt aufwachsen«, bemerkte Kalas mit unverhohlenem Spott. »Und wie verstimmt werden sie erst sein, wenn sie erfahren, dass ihr Vater sie nicht einmal besuchen wollte? Vielleicht solltet Ihr Eure Verpflichtung gegenüber Jilseponie im Falle Eures Todes noch einmal überdenken. Wie wird Euer Nachfolger, falls es nicht Midalis ist, gegenüber der Königin empfinden?«
Danube atmete tief durch. Am liebsten hätte er Kalas für seine Unverschämtheiten geohrfeigt. Aber womit sollte er Kalas’ Worte widerlegen? Und warum hatte Constance beschlossen, Ursal zu verlassen? Dieser Zwischenfall hatte Danubes Leben völlig auf den Kopf gestellt, denn viele am Hof gaben insgeheim Jilseponie die Schuld daran. Überall hörte Danube, wie zornig tuschelnd über seine Gemahlin hergezogen wurde, überall sah er die vorwurfsvollen Blicke, mit denen Jilseponie bedacht wurde, wann immer sie sich in der Öffentlichkeit zeigte.
»Warum ist sie nur abgereist?«, sagte er laut, eher zu sich selbst als zu Kalas.
»Weil sie es nicht ertragen konnte, Euch an Jilseponies Seite zu sehen«, antwortete Kalas. Und das war seine ehrliche Meinung, denn selbstverständlich hatte Constance niemandem die Wahrheit gebeichtet: dass sie versucht hatte, Jilseponie zu vergiften. Und auch Jilseponie hatte weder Danube noch irgendjemandem sonst etwas über den Vorfall erzählt.
»Sie wusste, wie es tatsächlich um mein Herz bestellt war, lange bevor Jilseponie Königin wurde«, erwiderte Danube. »Ich bin jahrelang nach Palmaris gereist, um Jilseponie zu besuchen, ohne Constance auch nur ein einziges Mal zu verschweigen, wie ich empfinde.«
»Wollt Ihr etwa von mir hören, Ihr hättet keinen Fehler gemacht?«, fragte ihn Kalas unverblümt.
Danube sah ihm fest ins Gesicht.
»Aber das habt Ihr«, wagte Kalas zu bemerken, woraufhin Danube zusammenzuckte, ohne ihn jedoch zu unterbrechen oder am Weiterreden zu hindern. »Ihr hättet Jilseponie als Mätresse nehmen und sie in Palmaris lassen sollen, wo sie hingehört. Und wenn Ihr schon eine Königin ernennen müsst, dann hätte dies Constance Pemblebury sein müssen. Stattdessen habt Ihr beschlossen, Eure persönlichen Belange über die des Hofes zu stellen –«
»Ihr und Euer verdammter Hof sollt in Bestesbulzibars Höllenfeuer schmoren!«, brüllte Danube. »Ihr wagt es, anzudeuten, Königin Jilseponie gehöre nicht nach Ursal, weil sich diese überparfümierten Frauenzimmer darüber ärgern, dass eine Außenseiterin in ihren feinen Zirkel eingedrungen ist und ihnen den Thron gestohlen hat, auf den die meisten von ihnen ein Auge geworfen hatten? Wohlgemerkt den Thron, nicht etwa den Mann, der an der Seite der Königin darauf sitzt. Nein, niemals!«
»Ihr bezweifelt, dass Constance Euch geliebt hat?«, fragte Herzog Kalas ungläubig.
Danube verkniff sich eine Erwiderung und murmelte dann: »Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu sprechen?«
»Bin ich etwa nicht Euer Freund?«, fragte Kalas schlicht.
»Wenn Ihr mein Freund wärt, hättet Ihr mir beistehen müssen«, erwiderte Danube spitz und deutete mit dem Finger auf Kalas. »Mir fällt auf, dass Herzog Bree Kalas nur wenig dazu beigetragen hat, Jilseponie die Eingewöhnung in Ursal zu erleichtern. Ebenso wenig ist mir zu Ohren gekommen, dass er seine Königin, die Gemahlin seines Freundes, gegen die gehässigen Gerüchte in Schutz genommen hätte, die sie auf Schritt und Tritt verfolgen!«
Kalas und Danube starrten einander eindringlich an, denn beide erkannten, dass dieser Streit sich schon lange angekündigt hatte, und beide wussten und bedauerten, dass es von diesem kritischen Punkt an kein Zurück mehr gab.
»Ich werde den Winter in Yorkeytown verbringen«, brach Kalas das Schweigen.
»Constance hätte nicht fortgehen sollen«, sagte Danube ruhig.
»Sie glaubte, keine Wahl zu haben.«
»Ich hätte
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