Schattenelf - 2 - Das Turnier
sprang breit grinsend von dem kleinen Sockel herunter; er konnte es gar nicht erwarten, sich der Herausforderung zu stellen. Er wollte schon zur Seitenwand der Werkstatt hinübergehen, wo er Sturmwind abgestellt hatte, als Sadye ihn am Arm festhielt und mit besorgtem Blick den Kopf schüttelte. »Es steht zu viel auf dem Spiel«, sagte sie, gleichermaßen zu Abt Olin und zu Aydrian. »Es kann nicht sein, dass unsere Pläne zunichte gemacht werden, nur weil Ihr unbedingt die Überlegenheit der behrenesischen Methoden beweisen wollt, Abt Olin. Oder weil Aydrian diese Herausforderung in seinem jugendlichen Stolz nicht ablehnen kann.«
Eine Zeit lang herrschte betretenes Schweigen.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Abt Olin schließlich mit einem strengen Seitenblick auf Aydrian, den der junge Hüter jedoch zehnfach erwiderte.
»Ich werde das Chezhou-Schwert jedenfalls nicht annehmen«, wiederholte Aydrian. »Auf der ganzen Welt gibt es kein Schwert, das sich mit Sturmwind messen könnte, und wenn, doch dann gehört es einem anderen Hüter, und wo die sich befinden, weiß kein Mensch.«
»Die Entscheidung liegt natürlich ganz bei Euch, Meister Aydrian«, sagte Abt Olin mit leisem Spott, verbeugte sich, bedeutete seinem Begleiter, ihm zu folgen, und verließ den Raum.
»Du hast nicht gerade großes Vertrauen in mich«, sagte Aydrian zu Sadye.
»Bist du da so sicher?«, erwiderte sie.
»Du hast mich doch beim Schwertkampf gesehen«, sagte Aydrian, ihre Bemerkung überhörend. »Glaubst du etwa, ich hätte ihn nicht besiegen können?«
»Das ist doch ganz egal, denn unsere Sache hätte in jedem Fall darunter gelitten«, erklärte Sadye. »Abt Olin hat nicht das geringste Interesse daran, die Wahrheit über die Stärken oder Schwächen der behrenesischen Methoden zu erfahren. Er ist in den Traditionen des südlichen Königreiches verwurzelt, und wenn man ihm die Unsinnigkeit seines Verhaltens vor Augen führt, würde das seine Entschlossenheit, uns zu unterstützen, wohl kaum festigen. Ist das zu hoch für dich?«
Aydrian bedachte sie mit einem Lächeln, das Bewunderung und Zustimmung ausdrücken sollte, dann ging er wieder zu dem Sockel zurück, wo Garech wartete.
»Ihr hättet diesen Schurken mit dem Schwert durchbohren sollen, junger Mann«, flüsterte ihm Garech leise zu, und als Aydrian sich daraufhin kurz nach Sadye umsah, hätte er beinahe lauthals gelacht.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass du dich zu uns gesellen würdest«, sagte Abt Olin etwas später zu Aydrian. Der alte Abt und sein Begleiter, der Chezhou-Lei, standen in dem privaten, an der Rückseite von St. Bondabruce gelegenen Kreuzgang, den Olin nach dem abendlichen Gottesdienst gewöhnlich aufsuchte, um dort zu meditieren. Er hatte Aydrian gegenüber durchblicken lassen, dass er hier sein würde und der junge Mann eingeladen sei, sich ihm anzuschließen. Obwohl er weiter nichts hinzugefügt hatte, war sowohl Olin als auch Aydrian klar, was diese Einladung tatsächlich bedeutete.
»Hat Sadye dich nicht gewarnt, wie gefährlich das sein könnte?«, fragte Olin.
»Gefährlich für mich oder für Euch?«, erwiderte Aydrian. Olins amüsiertes Lachen glich eher einem pfeifenden Keuchen.
»Ich wusste, du würdest dich der Herausforderung nicht entziehen können«, sagte der alte Mann im Tonfall selbstgewisser Überheblichkeit. »Ich weiß, wie ein Krieger fühlt, Aydrian, das kannst du mir glauben. Und ich weiß auch, dass du alle hochfliegenden Pläne und Träume, all unsere Hoffnungen und sogar dein Leben aufs Spiel setzen würdest, um deine Tapferkeit zu beweisen. Deswegen habe ich dich überraschend mit einer Herausforderung konfrontiert, denn wie so viele Menschen aus dem Bärenreich, die sich einbilden, dass die Welt an ihren Grenzen endet, möchtest du dich immer nur an dem messen, was du kennst, ohne jemals einen Gedanken an das Unbekannte zu verschwenden. Du hältst dich für den größten Krieger der Welt, dabei hast du nicht die geringste Ahnung von den Chezhou-Lei.«
Mehr als du denkst, dachte Aydrian, als er sich die Schwertdarbietung des Kriegers noch einmal in Erinnerung rief. Er musste sich zusammenreißen, um nicht zu grinsen.
»Oder von den Alpinadoranern«, fuhr Abt Olin fort. »Oder auch den Pauris – hast du überhaupt schon mal einen Pauri gesehen, junger Mann?«
Aydrian fand dies keiner Antwort wert, zumal er Olin in diesem Augenblick ohnehin kaum noch zuhörte, denn mittlerweile richtete er sein ganzes Augenmerk auf
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